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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Weiß, Ernst: Über Alfred Wolfenstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0152

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UBER ALFRED WOLFENSTEIN

ERNST WEISS

Wäre dieser Mann nur das eine: männlicher Wille zur Menschlichkeit,
viel wäre das in guter Zeit, — alles ist es heute, in der Hölle. Unend-
lich liegt Maschine, Kaserne, unbeseelt steinerne Gewalt über uns. Die
Zeit will gegen Gott zeugen; Furcht ist in uns, daß wir nur das Ende endlich er-
leben können; wie aber soll die Beleidigung Gottes, die diese Jahre waren, ab-
gewaschen werden? Nur freigelassen werden? Nie freigesprochen? Religion
ahnen, ersehnen die jammervollen Tage. Daß einer den heroischen Mut hatte, im
Menschen die Partei der Sterne zu fühlen, im eigenen Vorgefühl des guten
Lächelns von einst, das ist Trost.
Nur Unbedingtheit der irdischen Liebe bringt Gott näher. Wolfensfein ist welt-
lich bis zum Himmel, seine Gestalt des Menschen in ihrer ganzen überrealität ist
ihm niemals real genug.
Gestalt! an deren grober Fahrt die Leere
Zerschellt, du voll gehißtes Knie, durchquere
Die Welt, der Hüften und der Schultern Flug
Ist sichtbar, sichtbar nie genug!
Von hier aber, wo der sentimentale Geist früherer Dichter am Ende war, stürmt
die Liebe Wolfensteins dem Gott entgegen: Lebte Weltlichkeit: Anbeginn der
Religiosität.
Menschlidikeit führt im Kreis zum Nebeneinander von Sternensphären mit der
gemeinsten Kriechkreatur des Staubes und des Geldes. Nicht im Endlichen nach
allen Seiten gehen, ungerührt, in falsche Sicherheit gekleidet, reibt ins Un-
endliche. Was uns an Wolfenstein tröstet und besänftigt, ist, daß er nicht
in der Maßlosigkeit der Empfindung den guten Kampf vergißt; zweischneidig
steht er da, männlich und gut, dem Augenblick zugewendet, federnd in der Kraft,
gerade aus diesem lebten Augenblick, aus der verruchten Welt in ungeheurer
Kurve aufzuströmen in die getürmten Himmel. Nicht schweben, sondern fliegen.
Nicht gleiten, sondern tanzen. Musik und Architektur, Überwindung des Wirk-
lichsten durch den Geist.
In seiner Art war schon das erste Buh des Dihters, »Die gottlosen Jahre« (S. Fischer
Verlag, Berlin) vollendet. Gestaltet war hier die Seele der Sähe, von innen her

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