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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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* Eine eingehende Wür-
digung wird für den
Herbst vorbereitet.

FUNKEN

CARL ERNST OSTHAUS f*. Dem Nahestehenden
kam der Tod dieses Mannes nicht unerwartet, und
dennoch trifft die Tatsache in ihrer kalten Unabänder-
lichkeit erschütternd. Es werden viele Nachrufe folgen,
die das Wirken des Toten für die Allgemeinheit, die
kühnen Pläne, Entwürfe und Gründungen hervorheben.
Ganz kann Jenen Weggang nur der ermessen, dem
Einblick in das grolje, gütige Herz dieses echten Freundes
der Kunst zu teil ward. Wie er an dieser Stelle für
das Rheinland, für seine geliebten Industriegebiete, für
die Verschönerung des Lebens der Arbeitsamen eintrat,
wird ihm im Westen unvergessen bleiben. Unvergessen
sei gleichfalls die warme Förderung und die tatkräftige
Unterstützung, die er diesen Blättern, der Gemeinde
des »FEUER«, von Anfang an entgegenbrachte. Sein
geistiges Erbe zu hüten, sei unsere vornehmste Aufgabe.
GUIDO BAGIER.
FRITZ HOEBERf. An einem frühlingswarmen Januar-
morgen sank der Sarg Frilj Hoebers in die Erde des
Offenbacher Friedhofs. Nur sechsunddreiljig Jahre
waren ihm gegönnt gewesen. Das lebte hatte ihm
mit der unheilbaren Krankheit einer akuten Er-
krankung des Hirnes Schmerzen die Fülle gebracht.
Audi sonst war er nidit von ihnen verschont geblieben.
Ihm fehlte das Strahlende, Siegende. Und dodi barg
sidi hinter diesem oft seltsam anmufenden Menschen
ein hervorragend kluger Geist, verbunden mit einem
guten Herzen. Schon mit 21 Jahren hatte er das seinem
Hang zur Spekulation entgegenkommende Thema —
orientierende Vorstudien zur Systematik der Architektur-
Proportionen auf historischer Grundlage — mit un-
leugbarem Erfolg bearbeitet. Später sdirieb er sein
sehr brauchbares Handbuch über die »Griediischen
Vasen« für Piper, seine »Frührenaissance in
Schlettstadt« und seinen »Peter Behrens«. Im
Felde durfte er über Tournay arbeiten, wohin ihn
Clemen mitten aus dem Kutschermilieu der Kolonne
gerufen hatte. Dazwischen erschienen von ihm einfach
unzählbare Aufsätze über fast alle Gebiete der künst-
lerisdien Betätigung, der er auch gern selbst mit Pinsel
und Stift oblag. Man muljte immer wieder über seinen
rastlosen Fleilj staunen, der um so bewundernswerter
war, als ihm das Schreiben keineswegs von der Hand
ging. Sein Bestes hoffte er in dem ihm anvertrauten
Kapitel des Handbuches der Kunstwissenschaft über
die »Baukunst des 19. und 20. Jahrhunderts« sagen
zu können, das er schon ziemlich weit gefördert hatte.
Sinnlos früh nahm der Tod den liebenswerten Mann
dahin. Ungemein wünschenswert wäre ein Sammelband

seiner zahtreidien Schriften, da erst durch ihn das
ganze Ausmaß seiner Persönlidikeit zu gewinnen wäre.
F. L.
CARL HALIPTMANN f. Als ich ihn zum lebten
Mal sah, ging er gebückter als sonst-, idi erkannte
eine sdiwere Hand, die auf seiner Schulter geruht hatte.
Es war die Hand des Todes, in der er oft tiefe Geheim-
nisse gelesen hatte. Audi das blieb ihm vielleidit geheim,
was geschehen war, aber dieser Mensch war stets gläubig,
und das Geheime war ihm Vorsehung, und er glaubte an
das ewige Leben, an das Jenseitige Leben, und betonte
es. Idi habe diese Worte damals aus seinem Munde mit
Kummer gehört, es ist schrecklich, mehr zu wissen als
der andere weil?, und idi wufjte, da§ er nicht mehr
irdisdi spradi. Fast ein Jahr hat er gebraucht, um
Vergängliches und Ewiges zu lösen und er ist sdilieljlidi
entschlafen, behutsam, ohne Sdireck und ohne Flucht-
versuch, während das Gebirge drei Tage lang in tiefen
Nebel gehüllt war, aus dem sich heute der Schnee löst,
der schon den ganzen Nachmittag windlos fällt.
Es ist genug, Schmerz zu wissen, aber der vergeblidie
Versuch, die feierlidie Endlichkeit des Todes mit Worten
zu sagen, ist uns zu nahe, zu erschütternd ist die nie
beantwortete Frage der Verwandlung, zu hilflos ist der
Wunsch, ein Zeichen der Veränderung zu sehen, dalj,
was hier forfgehf, dort ankommf, oder irgendwo ein-
trifff. Aber diese Dinge münden schweigsam in ein
Rätsel.
Es haben ihn viele gekannt, und er hat wenige abgelehnt.
Sein bloßes Herz konnte sidi nidit wehren, er war ein
Gastfreund, ein Freund, ein Geliebter, er liebte, weil
er immer mehr Hoffnungen hafte als die, denen er
begegnete. Keine Angst, er ist nie enttäuscht worden,
denn er war rein und drohte nidit! Niemand hat ihm
wehe getan, niemand hat ihn hindern können. Und
die ihm Schlingen aus seinen krausen Figuren drehen
wollten, fingen ihn nidit, da er weif voraus auf dem
Wege stets mehr hoffte, als er hafte, da er nie zu-
frieden, keine herkömmlichen Vollendungen sdiaffen
konnte, weil seine Sehnsucht jede hinter sidi lielj. Er
wanderfe, eine rastlose Güte im Herzen, etwas zu finden,
was er schlie^lidi ausfeilen wollte, einLand, das unbekannte
Land; aber seine Kunst blieb das Vorübergehen. Er hafte
Zeit und gab inzwischen mit vollen Händen, was er hafte,
Großes und Kleines, Klares und Ungeklärtes, aber alles
mit dem gleichen Herzen und mit dem gleichen Gefühl
des hödisfen Wertes für ihn. Viele haben ihn ausgenüijf
und sind, um besser treten zu können, in seiner Spur
gegangen, viele Taugenichtse hat er auf seinem Wagen

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