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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Redslob, Edwin: Parteigeist oder schöpferische Kraft: eine Ausstellungsbetrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0236

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PARTEIGEIST
ODER SCHÖPFERISCHE KRAFT
EINE AUSSTELLUNGSBETRACHTUNG
EDWIN REDSLOB
Wer über die Aufgabe nachdenkt, die mit der Eröffnung einer Ausstellung
dem Publikum zufällt, wird oft von Sorge bedrückt, weil dodi so vielen
vor Werken zeitgenössischer Künstler auch der spärlichste Rest von
Taktgefühl zu versagen pflegt.
Um die Kluft zwischen Schaffenden und Allgemeinheit zu überbrücken, sind für
unsere Gegenwart vielleicht zwei Überlegungen angebracht, die warnen einmal
vor der Übertragung von Parteiinstinkten politischer, konfessioneller oder pro-
vinzieller Art auf geistige Dinge und zweitens: die warnen vor einem lediglidi
kritischen Verhalten gegenüber dem Willen des schöpferischen Werkes.
Den unerhörten Druck, den Deutschland — als ein Reidi der Mitte — heute wie
immer schon von Seiten der Grenzen auszustehen hat, können wir überhaupt nur
ertragen, wenn wir Gegenkräfte entwickeln, die vom Gedanken der Übereinstim-
mung und Gemeinschaft jeglicher deutschen Lebensäuberung getragen werden. Aber
statt alle Arbeit innerhalb des politischen und des kulturellen Lebens auf die Ein-
sicht des Gemeinsamen einzustellen, schwelgen viele Deutsche geradezu in dem
Genub einer parteiisch konstruierten Isoliertheit und übertragen ihr politisches
Feindschaftsbedürfnis auf das geistige Leben. Sie teilen die Kunstausstellungen
nach dem im Parlament gewohnten Schema, und lediglidi um ihres „Rechts“ oder
„Links“ willen wird eine Arbeit für gut oder schlecht erklärt, verdammt oder
vertreten.
So nimmt man der Kunst den für die Gegenwart so wichtigen Hauptinhalt ihrer
staatlichen Bedeutung. Man verkennt, dab sie den Begriff des Wertes über den
der Partei und Richtung stellt, dab sie von ihrem menschlichen Standpunkt aus
verlangt, auch im politischen Kampf die Einstellung auf Qualität niemals zu ver-
lieren. Darin hegt die grobe Aufgabe, welche die künstlerische Kultur aller Welt
gegenüber zu erfüllen hat. Los vom Chauvinismus — hin zur Befreiung: das
ist der Sinn jeder Hinwendung zum Geistigen.

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