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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Curjel, Hans: Kunstentwicklung in Karlsruhe: ein Rückblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0743

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KUNSTENTWICKLUNG IN KARLSRUHE
EIN RÜCKBLICK / H. CURJEL

Eine ununterbrochene und schulmäßig ge#
schlossene Kunstentwicklung hat in Karlsruhe
erst mit der Gründung der Akademie ein#
gesetzt. Einzelne Maler hatten zwar schon seit
Jahrzehnten in Karlsruhe eine fruchtbare
Wirksamkeit entfaltet, zu einer gemeinsam
wirkenden Arbeit im Sinne einer eigent#
liehen Traditions# oder Schulbildung kam
es jedoch nicht, und selbst starke Künstler#
Persönlichkeiten, wie etwa Meiling, Winter#
halter, Seele, und bedeutende Künstler wie
F. I w a n o f f, der Galeriedirektor Becker, dessen
wohlgemeinte Zeichenakademie keine tieferen
Spuren hinterließ, oder Marie Ellenrieder be#
sitzen für die Entwicklung der Kunst in der
Stadt nur episodische Bedeutung. Schulbildende
Bestrebungen zielten allein auf die Architektur,
wo zuerst Weinbrenner und später EI üb sch
in der Baudirektion im großen organisatorisch
wirkten. Erst in den 30er Jahren des 19. Jahr#
hunderts gewann dann durch die Wirksamkeit
vor allem der beiden Maler Fromm el und Fries
die Landschaftsmalerei besondere Bedeutung.
Köbel, Helmsdorf, Fohr u.a. schlossen sich
ihnen an und bilden so den Kern einer einhei#
mischen Tradition. Topographische Sachlichkeit
verbindet sich bei ihnen mit dem erwachenden
Streben nach rein künstlerischer Gestaltung.
Während sich hier die Ansätze zu einer kons
stanten und bodenständigen Entwicklung lang#
sam bildeten, ereignete sich zu Beginn der 40er
Jahre im Kunstleben der Stadt Karlsruhe durch
das Auftreten Moritz von Schwinds ein
Zwischenspiel von meteorhafter Bedeutung.
Staatsaufträge hatten ihn nach der Stadt gezogen,
der damals enge Horizont des geistigen Lebens
der Stadt ihn jedoch bald wieder veranlaßt ihren
Staub von den Sohlen zu schütteln; beeinflußend
hat er kaum in die Karlsruher Kunstentwicklung
eingegriffen. Es ist das typische Bild der Kunst in
den kleinen Residenzstädten, wo die vom Zufall
bestimmten Einzelerscheinungen allein Bedeu#
tung besitzen; die Kunst ist ein wohl gelittenes
Desert, sie zu pflegen eine Annehmlichkeit, noch
keine Verpflichtung zu methodischem Aufbau;
jede stärkere Auswirkung bleibt ihr bei solcher
soziologischer Struktur naturgemäß versagt.
Die Gründung der Kunstschule bedeutete im
geistigen und gesellschaftlichen Leben der Stadt
einen prinzipiellen Wendepunkt. Die Motive
zu ihrer Gründung bleiben letzten Endes un#

klar; es liegt nahe, sie zu den heimlichen Nach#
Wirkungen der 1848/49er Jahre zu rechnen, die
trotz des Scheiterns der politischen Bewegung
vielfach Anstoß zu einer durchgreifenden Neu#
gestaltung des geistigen Lebens gaben. Tatsache
ist, daß Großherzog Friedrich I. sich persönlich
aufs stärkste dafür einsetzte, und daß auch weitere
Kreise des wohlhabenden Bürgertums sich da#
für interessierten. Zugleich erhält die Kunst eine
zwiefach soziale Funktion: zunächst dadurch,
daß die Lehrtätigkeit an der Kunstschule den
ausgereiften Künstlern neue Lebensmöglich#
keiten bot, sodann dadurch, daß die Möglich#
keit zu größeren Bilder#Erwerbungen von seiten
des Staates gegeben war durch den Ausbau der
Kunsthalle, die vom Jahre 1852 an mit Staats#
mittein dotiert wurde.
Zum Vorbild für die Kunstschule wurde die
Düsseldorfer Akademie genommen. J.W. Schir#
mer, der damals schon berühmte Landschafts#
maler, wurde von Düsseldorf als Direktor be#
rufen, ein besonders glücklicher Griff deshalb,
weil gerade die Landschaftsmalerei in den Karls#
ruher Malerkreisen der vorgehenden Jahrzehnte
in besonders starkem Maß gepflegt worden war.
So erscheint Schirmer als der Fortsetzer der
älteren badischen Landschafter#Tradition, in
die er sich umso leichter einleben konnte, weil
er sich schon früher auf Studienreisen mit der
oberdeutschen Landschaft auseinandergesetzt
hatte. Von Karlsruhe aus wandte er sich — Rhein#
länder von Geburt — bald der nächsten und
näheren Umgebung, dem Schwarzwald und dem
Elsaß zu, deren Wesenheit er derart erfaßte, daß
er zum Begründer der eigentlich badischen Land#
schaftsmalerei wurde. An der Kunstschule ent#
wickelte er trotz scharfer Angriffe eine frucht#
bare kunstpflegerische und #erzieherische Tätig#
keit, bei der er darauf bedacht war, sich einen
Kreis von »Helfern« herbeizuziehen. Für die
Entwicklung der einheimischen, ja der ober#
deutschen Malerei im ganzen wurde Schirmers
Wirksamkeit von entscheidender Bedeutung;
ein schlichter Naturalismus, der trotz seiner
heroisch angehauchten biblischen Landschaften
der Grundzug seiner Malerei bleibt, wird zum
entscheidenden Faktor der badischen Malerei,
die von Schirmer ausgeht. Thoma gehört zu
seinen frühesten Schülern, Thoma, der immer
im Grunde ein Landschaftsmaler geblieben ist,
und der diesen schlichten Naturalismus zu

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