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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Pisk, Paul Amadeus: Egon Wellesz
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0646

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EGON WELLESZ

PAUL A. PISK

Einer der persönlichsten Komponisten der Wiener Moderne, dessen
Name trotz der Zurückgezogenheit seines Lebens allmählich auch
im Auslande Klang gewinnt allein durch die Fülle seines Schaffens,
das heute schon dreißig Werke umfaßt, obwohl Wellesz eben erst das volle
Mannesalter erreicht hat. Über sein Leben ist wenig zu sagen. Geboren in
Wien, wirkt er daselbst als Dozent für Musikwissenschaft an der Uni?
versität.
Vielseitigkeit des Wirkens und der Werke — bei diesen auch in stilistischer
Beziehung merkbar — könnte verwirren, käme nicht in ihr eine Grund?
anschauung des Komponisten über künstlerische Ausdrucksmöglichkeit zum
Bewußtsein: In jeder Kompositionsgattung müsse anders gearbeitet werden,
gleichsam dem Material entsprechend, wie ja auch ein Baumeister die Technik
der Idee seines Gebäudes unterordnet. Und so wird es vielleicht nützen,
Lyrik, Klavier? und Kammermusik, endlich Orchesterwerke und das dra?
matische Schaffen besonders zu betrachten, auf allen diesen Gebieten Wur?
zeln und Entwicklungen aufzuzeigen und dann durch Zusammenfassung
dieser prismatischen Strahlen das Bild des Künstlers voll zu erkennen.
Eine lyrische Auswahl aus der Periode des Werdens geben die »Frühen
Lieder« (1906). Hier ist deutlich noch neben Einflüssen Regers und Mahlers
besonders Pfitznersche Ausdrucksart zu erkennen, während Richard Strauß
dem Komponisten merkwürdigerweise keine Anregung gab. Viel mehr
Eigenes bietet die »Sommernacht« nach Liliencron, schon durch die Be?
Setzung für Streichsextett und Soloblasinstrumente auffallend. Abgesehen
von einigen eigentümlichen Quartenfolgen der Harmonik erscheint in diesem
Werke zum erstenmal die Darstellungsform Arnold Schönbergs, dessen
Schüler Wellesz eine Zeitlang war, nicht aber Schönbergs Ausdrucksart.
Wellesz will nur die reine Impression der Dichtung geben, teilweise sogar
mit Heranziehung von Tonmalerei. Melodische Führung einzelner Orchester?
instrumente und bis in die kleinste Begleitungsfigur durchgearbeiteter Kontra?
punkt weisen aber stark auf die mittlere Schaffensperiode Schönbergs.
Mit der Vertonung der Prosanovelle Peter Altenbergs »Wie ein Bild«, die
erst nach einer längeren Pause wissenschaftlicher Arbeit entstand, hat Wellesz
endlich seinen eigenen lyrischen Stil gefunden. Da gibt es nicht mehr die
organisch symphonischen Steigerungen der romantischen und neudeutschen
Schulen, sondern ein rein flächenhaftes Nebeneinanderstellen von kon?
trastierenden Elementen, die aneinander, nicht ineinander gefügt ein Ganzes

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