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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Oeftering, Wilhelm Engelbert: Badische Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0735

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BADISCHE DICHTUNG

WILHELM E. OEFTERING

Das Badnerland, so klein es ist, besteht nach dem Volksmund aus drei Ländern: dem
Oberland, dem Unterland und dem Hinterland. Dieser gemeinfaßlichen Benennung
entspricht die Einteilung in alemannisches, pfälzisches und ostfränkisches Gebiet, zu dem
stellenweise ein schwäbischer Einschlag tritt. Das kulturelle Schicksal des jungen Staates,
des 1806 von Napoleons Gnaden geschaffenen Großherzogtums, war durch diese Stammes*
mischung, die nie recht zu einer Verschmelzung führte, bestimmt. Karlsruhe war kaum mehr
als Residenz und Verwaltungsmittelpunkt. Zum eigentlichen geistigen Zentrum, etwa im
Sinne wie Stuttgart es ist, wurde es nicht, trotz gelegentlicher, aber nie planmäßig und be*
harrlich durchgeführter Bestrebungen. Zwar wird Burte nunmehr am Landestheater aufgeführt,
aber Gott mußte warten, bis er tot war, Emil Strauß wird übergangen, und mit Weigand
ließ man es Vorjahren bei einem kurzen Versuch bewenden.
Das Drama ist freilich nicht die stärkste Seite der badischen Dichter und erhielt überhaupt
erst mit Gott einen gewichtigen Vertreter, zu dem nun Burte sich gesellt. Auch jüngere Kräfte
melden sich, wie der frühverstorbene Hans Pabst, dessen »Savonarola« in Hannover auf*
geführt wurde, oder C. A. Bergmann mit zwei Stildramen (»Wieland der Schmied« und
»Hagen«) und Hermann Hasenauer, dessen Künstlerdramen »Beethoven« oder »Rem*
brandt« voll religiösen Ernstes stecken, wie auch Em. von Bodmans Tragödie »Die heim*
liehe Krone«.
Emil Gött (1864—1908), dessen alemannisch schwerblütig bestimmter, viel gehemmter
Lebensgang in seinen Bekenntnisdichtungen »Edelwild« und »Fortunatas Biß« dramatischen
Ausdruck fand, um in den zwei heiteren und geistvollen Lustspielen »Schwarzkünstler« und
»Mauserung« zu überlegen objektiver Gestaltung vorzudringen, bewegt sich in natura*
listischen Zeiten auf der Linie des Stildramas, das durch Shakespeare und die Spanier formale
und stofflich bestimmt ist. In solchem Sinn kann man den, gleich Gött, individualistisch be*
tonten und durch Nietzsche angeregten Hermann Burte als Fortsetzer seiner Bahn be*
zeichnen, zumal er in weit höherem Grade echter Dramatiker ist als der grüblerisch mit dem
Leben kämpfende und einem neuen Menschentum zustrebende Gött.
Der Ruhm der badischen Dichtung begann — wenn man von der einmaligen Leistung des
Grimmelshausen absieht — mit Joh. Peter Hebel, dessen Kalendergeschichten bestes klas*
sisches Erzählergut sind. Der Dialektdichter Hebel hat Nachahmer gefunden, aber keinen, der
ihn erreichte, bis etwas auf Paul Körber und Hermann Burte, dernoch tieferund natura*
listischgefärbter auf die sprachlichen Quellen zurückgeht und die Probleme seines Stoffgebiets
über das Idyllische indie Kreise des stark Individuellen, des sozial Gewandelten hinüberführt.
Die Erzählerkunst Hebels haben sich viele zum Muster genommen, wie etwa Albert
Bürcklin, dessen Geschichten echte Gaben eines volkskundigen Schriftstellers sind, oder
Anton Fendrich, zu dessen Roman »Emil Himmelheber« Gött Modell gestanden hat, in
dessen eigenen Kalendergeschichten der alemannische Ton stärker klingt, ohne daß seine
herbere Natur sich in den hartgeschnitzten Erzählungen verleugnet. Zu Emil Strauß
führen gleichfalls Fäden innerer Verwandtschaft, verändert und abgewandelt durch dessen
breitere epische Begabung und schwäbische Sonderart. Der Mensch, der in der Welt drau*
ßen immer er selbst bleibt und sich selbst sucht und deshalb in Konflikte gerät, die er nur
zur Vertiefung seiner Persönlichkeit schlichten kann, ist das Grundthema des Dichters. Zwar

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