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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Hagemann, Carl: Gustav Mahler als Theaterleiter
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0466

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GUSTAV MAHLER
ALS THEATERLEITER

WORTE ZUR GRÜNDUNG
DER WIESBADENER ORTSGRUPPE DES MAHLERBUNDES
CARL HAGEMANN

Der größte universelle Theatermensch der abgelaufenen Kulturepoche war
Richard Wagner* Er war Dichter, Musiker und Kapellmeister wesentlich
im Sinne der Schaubühne. Er hatte kein anderes Interesse. Als Mensch
und Künstler nicht. Er empfand, dachte und schuf so ganz und gar für das Theater,
daß ihm die bühnenmäßige Erscheinungsform seiner Werke einziger Zweck alles
künstlerischen Trachtens war. Mit nervöser Hast und großer Ungeduld suchte er
jedesmal nach der Vollendung des einzelnen Kunstwerkes im Buch alles daran zu
seßen, um das innerlich Geschaute und Gehörte möglichst bald in möglichst adäquater
Weise zu offenkundiger Bühnendarstellung zu bringen und damit erst die ästhetische
Totalleistung in ihrer ganzen Fülle und Wirkungskraft zu liefern. Er rief sogleich
nadi den Bühnenkünstlern, die ihm dies leisten konnten und wollten; nach drama-
tischen Sängern und nach dem Regisseur. Da er die Sänger nicht vorfand (wenigstens
nicht so, wie er sie brauchte), mußte er sie sich selbst heranbilden. Den Regisseur
aber hat er nie gefunden, weshalb ihm nichts weiter übrig blieb, als die Umseßung
der Partitur in die Erscheinungsform der Szene ebenfalls selbst in die Hand zu
nehmen und sich selbst zum Theaterschöpfer, Theaterleiter, Kapellmeister und
Regisseur zu bestellen.
Der mit einem Theatersinn sondergleichen begabte Meister hat nun mit der Dar-
stellungsart seiner Bühnenwerke im Gegensaß zum damals Bestehenden zweifellos
etwas durchaus Anerkennenswertes geschaffen. Und sicher stellen die Bayreuther
Bühnenleistungen der Jahre 1876— 1882 eine bedeutsame Epoche in der Entwick-
lungsgeschichte der modernen Inszenierungskunst dar, die nie und nimmer unterschäßt
werden darf. Ob Richard Wagner aber damals gleich die allerleßte und damit aller-
beste Bühnen-Darstellungsform seiner Werke gefunden — ob er die Universalität
seines Kunstfühlens und Kunstkönnens so weit zu treiben vermocht hat, daß die
Anweisungen der Regie-Partitur damals schon ohne Rest in dieDarstellungsformen
der Bühne aufgegangen sind, ist eine andere Frage, Ist eine Frage, die verneint
werden muß und verneint werden darf, ohne daß dem Schöpfer und Meister der
tragischen Bühne von Bayreuth seine Verdienste um die Kultur unseres Volkes und
Landes dadurch geschmälert werden. Wagner hat als Regisseur, vor allem als
Inszenator seiner Werke leßten Endes versagt. Es ist ihm und seinen Mitarbeitern

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