eine, in solcher Frische bei Richter ungewohnte Rolle. Endlich geht es — wieder
in reichster Stufung der Pläne — bergauf, und steil gegen den Himmel zeichnet
sich droben die stolze, mit dem Bergesrand niedersteigende Burgruine.
Wieder mu| ich an unsere Modernsten denken! Wahrhaftig, der Abstand etwa
einer Heckellandschaft von diesem Ludwig Richter(oder gar von seinem künstlerischen
Ahnherrn Caspar Friedrich, dessen ehrwürdiges Bildnis mir Kersting zeigte) ist
nicht so gro|. Seherisches Vorsteilen muhte nur unter dem Zwang der Entwicklung
aus dem Reiche einer gefälligen Einbildung in das zuckende Leben der Nerven
übergehn, Kontemplatives muhte Ekstase, Traum, den das Leben dem Menschen
des Biedermeier nicht verwehrte, muhte innerhalb einer zwangvoll mechanistischen
Weltordnung in Krämpfen teuer erkauft werden. Eine romantische Vorstellung
mit den Ausdrucksmitteln, den gelösten und nachgiebigen Vortragsmitteln der
neueren Malerei gemalt, die Erregung der Konzeption nicht mehr nach klassisch
ausgleichcndem Muster hinter einer um so kühleren glatteren Form verdrängt,
sondern im Gegenteil bekennerisch vorgetragen: und wir haben gewif> nicht alle,
aber dodi einige wesentlidie Züge aus der Kunst der lebten 20 Jahre! (soweit sie
nicht in abstrakten Konstruktionen die Naturgrundlage und das Naturgefühl über-
haupt ganz aufgab).
Ist es wahr, was mein Begleiter mir zuflüstert, daf> gerade dieser lehtere Zug (idi
meine das Gegenstandslos-Musikalische, audi das „Kubisüsche“ als Selbstzweck
usw.) sich bereits zu überleben, ja daf> auch das allzu Emotionelle, Monoton-
Ekstatische mancher Richtungen zu erstarren beginne, so bleibt wirklidi nur das
übrig von dem neuen Wollen, was die Kunst einer Versöhnung von Romantik
und Moderne, wie ich sie mir eben ausmalte, vielleicht de facto entgegentreibt.
Soll ich mich dieser Versöhnung freuen? Nur, wenn es gelingt, in solchem Bund
das Willensmähige, Tätig-Unabhängige der schöpferisdien Persönlichkeit, jene
großartig intentionierte Verbindung mystischer Freiheit mit einem aktiv schöpfe-
risdien Weltwirken zu erhalten, von deren Möglichkeit wir vor dem Kriege in einer
wahrhaft „expressionistischen“ Kunst ein stolzes Gleichnis geben wollten — dann
will idi ihn segnen, diesen neuen Bund!
Und mit soldicn Gedanken, schon weit über das Anschauliche und Gegebene
hinausschweifend, verlasse ich die Mannheimer Kunsthalle.
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in reichster Stufung der Pläne — bergauf, und steil gegen den Himmel zeichnet
sich droben die stolze, mit dem Bergesrand niedersteigende Burgruine.
Wieder mu| ich an unsere Modernsten denken! Wahrhaftig, der Abstand etwa
einer Heckellandschaft von diesem Ludwig Richter(oder gar von seinem künstlerischen
Ahnherrn Caspar Friedrich, dessen ehrwürdiges Bildnis mir Kersting zeigte) ist
nicht so gro|. Seherisches Vorsteilen muhte nur unter dem Zwang der Entwicklung
aus dem Reiche einer gefälligen Einbildung in das zuckende Leben der Nerven
übergehn, Kontemplatives muhte Ekstase, Traum, den das Leben dem Menschen
des Biedermeier nicht verwehrte, muhte innerhalb einer zwangvoll mechanistischen
Weltordnung in Krämpfen teuer erkauft werden. Eine romantische Vorstellung
mit den Ausdrucksmitteln, den gelösten und nachgiebigen Vortragsmitteln der
neueren Malerei gemalt, die Erregung der Konzeption nicht mehr nach klassisch
ausgleichcndem Muster hinter einer um so kühleren glatteren Form verdrängt,
sondern im Gegenteil bekennerisch vorgetragen: und wir haben gewif> nicht alle,
aber dodi einige wesentlidie Züge aus der Kunst der lebten 20 Jahre! (soweit sie
nicht in abstrakten Konstruktionen die Naturgrundlage und das Naturgefühl über-
haupt ganz aufgab).
Ist es wahr, was mein Begleiter mir zuflüstert, daf> gerade dieser lehtere Zug (idi
meine das Gegenstandslos-Musikalische, audi das „Kubisüsche“ als Selbstzweck
usw.) sich bereits zu überleben, ja daf> auch das allzu Emotionelle, Monoton-
Ekstatische mancher Richtungen zu erstarren beginne, so bleibt wirklidi nur das
übrig von dem neuen Wollen, was die Kunst einer Versöhnung von Romantik
und Moderne, wie ich sie mir eben ausmalte, vielleicht de facto entgegentreibt.
Soll ich mich dieser Versöhnung freuen? Nur, wenn es gelingt, in solchem Bund
das Willensmähige, Tätig-Unabhängige der schöpferisdien Persönlichkeit, jene
großartig intentionierte Verbindung mystischer Freiheit mit einem aktiv schöpfe-
risdien Weltwirken zu erhalten, von deren Möglichkeit wir vor dem Kriege in einer
wahrhaft „expressionistischen“ Kunst ein stolzes Gleichnis geben wollten — dann
will idi ihn segnen, diesen neuen Bund!
Und mit soldicn Gedanken, schon weit über das Anschauliche und Gegebene
hinausschweifend, verlasse ich die Mannheimer Kunsthalle.
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