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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Osthaus, Karl Ernst: Cézanne
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0100

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hätten, ihm unsere Huldigung darzubringen. Unsere Verehrung für seine Kunst
sei alt und wir hätten den lebhaften Wunsch, für unsere Sammlung ein Werk
seiner Hand zu erwerben.
Er stellte Fragen und gab uns Gelegenheit, ein Bild von den Beständen und
Absichten des Folkwang zu entwerfen. Die Namen vertretener Meister, die wir
nennen konnten, gewannen seine Achtung. Er wurde gesprächig und entwickelte
seine Ansichten von der Malerei.
Als Anschauungsmaterial dienten ihm einige unbedeutende Bilder und Studien,
die die Habgier der Kunsthändler ihm gelassen hatte. Er trug sie aus verschiedenen
Winkeln des Hauses zusammen. Sie zeigten hintereinander geschichtete Massen
von Gebüschen, Felsen und Gebirgen. Darüber hingen Wolken. Die Hauptsache
in einem Bilde, meinte er, sei das Treffen der Distanz. Die Farbe müsse jeden
Sprung ins Tiefe ausdrücken. Daran erkenne man das Können des Malers. Er
folgte dabei mit den Fingern den Grenzlinien der Schichten auf seinen Bildern.
Er zeigte genau, wie weit ihm die Suggestion der Tiefe gelungen war und wo die
Malerei auslief). Hier sei die Farbe eben Farbe geblieben und nicht Ausdruck
der Entfernung geworden. Seine Darlegung war so überzeugend und lebhaft,
dab ich mich nicht erinnerte, mein Auge in so kurzer Zeit ähnlich geschult zu
haben. Er war sehr befriedigt, als ich ihm dies gestand.
Dann verbreitete er sich über die Malerei im allgemeinen. War es Höflichkeit
dem Deutschen gegenüber, dab er Holbein an die Spihe aller Meister stellte?
Jedenfalls tat er es mit solcher Emphase, dab man an seiner Überzeugung nicht
wohl zweifeln konnte.
„Aber Holbein ist unerreichbar,u rief er aus. „Und darum habe ich mich an
Poussin gehalten.“
Dieser Ausspruch verblüffte mich etwas, denn wir haben uns gewöhnt, in
diesem französisdien Barockmeister hauptsächlich die klassizistischen Züge zu
sehn. Aber Cezanne sah ihn als Maler, und ich habe seine Verehrung später
begriffen.
Unter den Modernen verweilte er mit grober Wärme bei Courbet. Er schäle
an ihm das unbegrenzte Können, für das es keine Schwierigkeiten gab. „Grob
wie Michelangelo,“ nannte er ihn, aber mit einer Einschränkung: „Ihm fehlt die
Erhebung (elevation).“
Dieser Ausspruch ergänzte in wundervoller Weise den Exkurs über die eigene
Malerei. Er zeigt, dab ihm das höhere Geseh aller Kunst bewubt und vertraut
war. Ohne Erhebung über die Erscheinung der Dinge, ohne das Erfassen des
Ewigen in der Natur gab es für ihn im Grunde keine Kunst,
über van Gogh, Gauguin und die Neoimpressionisten gingen wir mit kurzen
Worten hinweg. Sie machten es sich etwas leicht, meinte er. Zum Schlub aber erhob
er sich zu einem begeisterten Lobe seiner Alters- und Studiengenossen. In der
 
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