Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

DOI Artikel:
Wolfradt, Willi: Franz Heckendorfs Landschaftsstil
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0226

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schwung das Gelände durchfegt, das hinter ihm gleichsam nach oben angesogen
in schwerem Atem sich zu heben und zu senken sdreint.
Obwohl diese Landschaften nicht irgendwie kostümiert sind, sondern mit ihren
Eisenbrücken, Booten, Landhäusern durchaus das Gepräge unserer Tage tragen,
ist in ihnen ein Trob, eine heroische Energie, dab man sie mühelos als Landschaft
im Sinne der Edda, Shakespeares oder Byrons erleben könnte. Die nordische
Dämonie des Landschaftlichen, die Jagd der Elemente, das Wetter als Gemüts-
äuberung der lebendigen Natur, also Mächte, von denen der wetterlose und un-
dämonische Heroismus sowohl einesPoussin wie einesKoch nichts ahnen läbt, treiben
ihr Wesen auch noch in den weit friedlicher ausgebreiieien orientalischen
Stücken. Was ihnen das stürmische Gesicht verleiht, ist die Erfülltheit aller Teile von
dem Drange der Landschaft, dem Drange des Bodens aufwärts, dem Drange des
Nahen zur fernen Tiefe, dem Drange des Körperlichen ins Räumliche. Und so
mag man von einer physiognomischen Landschaftsmalern sprechen, indem man
sich dessen bewußt wird, dab gerade vor dem menschlichen Antlitz sich die innere
Nötigung einzustellen pflegt, aus der Kurvung des Nasenrückens, der Furchung
der Stirne, der Art des sich einspaltenden Mundes sofort und intuitiv die spe-
zifische Dämonie dieses Menschen zu erschlichen, während wir der Natur gegen-
über viel zu gut um ihre Vielgestalt und Universalität, um die Veränderlichkeit
jeden Ausschnittes je nach Stunde und Witterung wissen, als dah uns zunächst
der Lebensstil, das Temperament einer Landschaft in die Augen fiele und an-
spräche. Die Landschaft wechselt zu sehr und uns bewuhtermahen den Ausdruck,
um zunächst als Ausdrucksmoment zu interessieren, während das menschliche
Gesicht uns gerade und nur als Ausdruck eines Dahinterliegenden sinnvoll ist.
Obwohl Heckendorfs Gemälde kaum die Frage auf werfen lassen, welche
Gegend eigentlich dargestellt sei, sind sie bemerkenswert darin, wie sie das
AntÜhmäbige der Landschaft zum gesteigerten Ausdruck bringen, der Landschaft
im Sinne des spezifisch heutigen und nordischen Grunderlebnisses. So sind sie
eine besonders deutliche Anwendung des neuen künstlerischen Willens auf das
ihm zunächst fremdere Gebiet der Landschaftsdarstellung.


202
 
Annotationen