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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Kokoschka, Marc ebenso fehlen wie der radikale Flügel,
Kubisten und Dadaisten. Man kann es nicht allen recht
machen, und Unmögliches ist nicht zu verlangen.
Die Extremen sollen im Frühjahr aufmarschieren:
ein schönes Versprechen, dessen Erfüllung wir der frischen
Jugend und dem heutigen Dresdener Wagemut schon
Zutrauen, der vor nidits zurück schreckt. Es steht ja so
in dieser schönen Stadt, wo ehemals G. Kuehl und
Wrba unumschränkt geboten, daß man den Geist der
Neuerung als das üblich gewordene ansieht und von
vornherein einen Maßsfab mitbringt, den man weder
bei der Berliner nodi bei der Münchener Neuen Sezession
anzulegen wagt.
Selbstverständlich ist also das Niveau hier auf ent-
schiedene Gegenwartskunst eingestellt, und die Frage
ist nicht, weldre Grenze man nach unten zieht, sondern
zu welchen Gipfeln man hinaufreicht. Und da konnte
nicht alles so werden, wie man es selber wünsdite.
»Brücke«, diese erste Revolution, die in Dresden vor
15 Jahren mit dem Bekenntnis zur neuen Gesinnung
Ernst machte, ist nur mit wenigen Bildern Heck eis,
Schmidt-Rottluffs und Pechsteins vornehm mar-
kiert. Sehr viel günstiger, wenn audr leider räumlich
nicht konzentriert, treten die Rheinländer auf: Nauen
mit seinem »Cellospieler«, Macke mit zwei sehr
anmutigen Bildern, Mense stark und auf einen Farbenton
gestimmt,Campendonk,Davringhausen mit einem
sehr eindrucksstarken, psychoanalytisch - gespenstischen
»Träumer«, und Ewald, der sidi malerisch vorteilhaft
lockert; endlich Morgnei, dessenTod, — noch mehr als
bei Macke —, vor der Reife viel zu früh gesdrah.
Ebenso sind die Münchener begünstigt: Klee mit
kösflidren Gemälden (die erst seit einiger Zeit neben
seinen Aquarellen entstehen), Blodr poetisdi, farbenzart,
Kars mit trockener aber sympathisch feiner Anmut,
aus Paris erobert, Reichel, der sidr von Klee fort
zu eignem Stil entwickelt, Eberz, und sdrließlich, mit
einer zu umfänglichen Kollektion, Jawlensky, der
den einzigen Nichtdeutschen darstellt.
Für die Extremeren zeugen nur ein paar tüdrtige
Feiningers, wenige unbeträchtliche Blättdien von
Sdrwitters und der glänzende, sdion fast mythisch
gewordene »Abenteurer« von George Groß, neben
Davringhausen das einzige Gegenstück zu dem radikalsten
Mitglied der Dresdener Sezession: Otto Dix.
Von den übrigen Mitgliedern der Dresdener Sezession
ragt Lasar Segall durdr die geläuterte Reife seines
Stils hervor. Gegen die unruhige Gärung und das
Proteusartige bei Dix sticht die Stetigkeit und Ruhe
seiner Bildungen stark ab. Mitschke-Collandc
lieferte einige sdröne und ernste Gemälde von

einer fast mystischen Feierlichkeit des Ausdrucks; Otto
Lange und Will Heckrott nur Aquarelle, freilidi
von einer so liebenswürdigen Farbigkeit und solcher
Süße der Phantastik, daß sie beide das Fehlen von
Bildern verschmerzen liehen. Den jüngst mit Ge-
räusch erfolgten Austritt von Felix Müller, Otto Schu-
bert und Böckstiegel aus der Gruppe hatte Walter
Jakobs unbändig temperamentvoller »Luftballon«,
ein Rausch von stärkster Farbe, und mehrere ähnlich
begabte junge Bildhauer mehr als wettgenradrt, die als
neue Mitglieder oder Gäste der Plastik in der Ausstel-
lung eine ungenrein starke Note verliehen:
Frau Gela Förster, Eugen Hoffmann, Chri-
stoph Voll, Godenschweg, ähnlich einander inr
revolutionären Drang nadr neuer Ausdruckskraft der
Plastik, und wuchtiger Vereinfadrung und Rundung
der Körperform. Der Stärkste, Bewußteste — audr
in Gemälden und Graphik —Eugen Hoffnrann;
vielleicht eine unserer großen Hoffnungen und Eroberer
von Neuland. DR. PAUL F. SCHMIDT.
BADISCHE WOCHE. Zur Feier der Künste des
badischen Landes ward die »Badische Woche« in Karls-
ruhe erdadrf. Es gab Überraschungen. Die Malerei,
anr wenigsten engherzig, spendete mit vollen Händen
Lidrt und neue Hoffnung. Sie erst brachte der Ver-
anstaltung entscheidende, weitfragende Bedeutung. Reidr
und vielseitig, individuell, voll kühnem Vorwärtsdrängen
schaffen die badischen Künstler, deren beste und zukunft-
mögliche eine Ausstellung im »Badischen Kunstverein«
zusammenbrachfen. Das Ausstellungslokal mußte erobert
werden. Es war nicht leicht, anzukämpfen gegen eine
Anzahl eingesessener akademischer Maler, die der
Jugend ihre Schaffensfreudigkeit im Dienste neuer
Ideen neideten, selbst gewöhnt, allein mit der Hälfte
des Raumes die Ausstellungen zu beherrschen. Dodi
der Sturm gelang froß mancherlei Proteste. Die Aus-
stellung selbst brachte den Sieg und die Erkenntnis,
daß auch im Karlsruher Kunstverein frischere Morgen-
lüfte ihren Einzug halfen müssen. Eine tiefe Sehnsucht
nadi neuen Welten einer vertieften Geistigkeit und
mystisch seelenvoller Farbenklänge sieht die Jünger
des Expressionismus in schwerem Kampf. Was die
älteren Kunstrichtungen bringen, pulst voll Leben,
getragen von Sicherheit einer gediegenen Malkulfur.
Namen Einzelner zu nennen, muß ich mir versagen.
Es soll die Feststellung genügen, daß idr noch selten
eine Kunstausstellung von dieser Einheitlichkeit und
Qualität gesehen habe. Man wollte nicht ein Bild,
nicht eine Zeichnung vermissen.
Als Ereignis bleibt zu gleidrer Zeit das erste öffentliche

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