WILLEM VAN KONYNENBURG
ODER
ANTIKE
BERUF
FRANZ DOLBERG
Im holländischen Kunstschaffen sind von altersher zwei Stromesrichtungen des
Lebensblutes festzustellen: die eine, die sich begnügt, das auf der Landstraße,
am nächsten Kanal oder im Familienzimmer Geschaute von innen heraus mit
einem ewigen Lämpchen der Liebe zu durchwärmen und es in den allgemein ge-
wohnten Formen so unverändert wie möglich zu lassen, die andere, die auch der
schönen und gesund ebenmäßigen Gestalt der jungen Holländerin das königliche
Schreiten einer erzürnten Venus beizubringen und im Lande der ins Meer schleichen-
den Flüsse den Felsen des Parnassos hinzupflanzen und die Tempel Siziliens auf-
zubauen strebt. Der ersten, heimgefreuen Art gehört doch im entscheidenden
Sinne der größte Meister und Geist, den das Land hervorgebracht hat, an: zwar
staffiert Rembrandf seine Amsterdamer Juden mit persisdien Turbanen und ara-
bischen Mänteln, wenn er sie auf die Heroenbühne stellt, aber für das ihm un-
verständliche Pathos der klassischen Sage vom geraubten Götterliebling hat er nur
den breiten Spott des Dresdener Ganymedbildes. In seinem Lager sind die Israels,
Breifner, Mauve, von den neueren Dichtern Emants und Johan de Meesfer. Zur
Schar derer, die sich gewaltsam vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen erheben,
zählen Hugo van der Goes in einzelnen Werken, wie dem Brügger Marientod,
Lucas van Leyden in einem großen Teil seines späteren Schaffens, Cäsar van
Everdingen, der Bildhauer Jeltsema, von Dichtern Couperus und bei aller ein-
gewurzelter Heimatliebe Verwey. Weif mehr als dem Deutschen ist dem Holländer
durch die jahrhundertelange Tätigkeit der Leydener Universität die Antike ins
Blut gedrungen; freilich haben dabei die Helden des Altertums ein wenig den
breiten niederländischen Tonfall angenommen.
In der heutigen holländischen Malerei wird die Kunst der Sehnsucht, des form-
starken Traumes, der klaren willensbestimmfen Zeichnung durch zwei Meister ver-
treten: Jan Toorop und Willem van Konynenburg. Von ihnen ist Toorop die
reichere, aber auch kompliziertere, Konynenburg die rundere, in sich abgeschlos-
senere Persönlichkeit. Jener von halb norwegischer, halb malayischer Abstammung,
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ANTIKE
BERUF
FRANZ DOLBERG
Im holländischen Kunstschaffen sind von altersher zwei Stromesrichtungen des
Lebensblutes festzustellen: die eine, die sich begnügt, das auf der Landstraße,
am nächsten Kanal oder im Familienzimmer Geschaute von innen heraus mit
einem ewigen Lämpchen der Liebe zu durchwärmen und es in den allgemein ge-
wohnten Formen so unverändert wie möglich zu lassen, die andere, die auch der
schönen und gesund ebenmäßigen Gestalt der jungen Holländerin das königliche
Schreiten einer erzürnten Venus beizubringen und im Lande der ins Meer schleichen-
den Flüsse den Felsen des Parnassos hinzupflanzen und die Tempel Siziliens auf-
zubauen strebt. Der ersten, heimgefreuen Art gehört doch im entscheidenden
Sinne der größte Meister und Geist, den das Land hervorgebracht hat, an: zwar
staffiert Rembrandf seine Amsterdamer Juden mit persisdien Turbanen und ara-
bischen Mänteln, wenn er sie auf die Heroenbühne stellt, aber für das ihm un-
verständliche Pathos der klassischen Sage vom geraubten Götterliebling hat er nur
den breiten Spott des Dresdener Ganymedbildes. In seinem Lager sind die Israels,
Breifner, Mauve, von den neueren Dichtern Emants und Johan de Meesfer. Zur
Schar derer, die sich gewaltsam vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen erheben,
zählen Hugo van der Goes in einzelnen Werken, wie dem Brügger Marientod,
Lucas van Leyden in einem großen Teil seines späteren Schaffens, Cäsar van
Everdingen, der Bildhauer Jeltsema, von Dichtern Couperus und bei aller ein-
gewurzelter Heimatliebe Verwey. Weif mehr als dem Deutschen ist dem Holländer
durch die jahrhundertelange Tätigkeit der Leydener Universität die Antike ins
Blut gedrungen; freilich haben dabei die Helden des Altertums ein wenig den
breiten niederländischen Tonfall angenommen.
In der heutigen holländischen Malerei wird die Kunst der Sehnsucht, des form-
starken Traumes, der klaren willensbestimmfen Zeichnung durch zwei Meister ver-
treten: Jan Toorop und Willem van Konynenburg. Von ihnen ist Toorop die
reichere, aber auch kompliziertere, Konynenburg die rundere, in sich abgeschlos-
senere Persönlichkeit. Jener von halb norwegischer, halb malayischer Abstammung,
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