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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Dülberg, Franz: Willem van Konynenburg oder der Beruf zur Antike
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0288

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Licht emporsteigender Jüngling als Mittelgestalt und ein wunderreiches, muschel-
umschlossenes Wesen als rechte Seitengestalt — die unbedingt überzeugende
und selbständige Beredsamkeit der »Erde« besinn werden, jener leidenschaft-
licheren Schwester des Belvederetorso und der »Notte«, die ich bereits im
vollen Kleide ihrer gelbgrauen und bläulichen Glanztöne schimmern und die
erdrückenden Felsblöcke mit mächtigen Händen emporheben sah, so wird nicht nur
die holländische Kunst um ein Ganzes reicher sein, in dem schwer lastende Stim-
mungen mit gewissenhafter Gewalt und gemessen starkem Auftrieb gelöst
werden.
Sehnsucht nach jener fernen, nie gewesenen und nie Dasein werdenden Urheimat
aller großen und zarten Träume, die wir „Hellas“ nennen, ist die Grundnote dieses
jüngsten mit den Raumteilungsbestrebungen allerneuesterSchulen sich berührenden
Hauptwerks. Aber ganz wie das körperliche Bild des — mit einer feingeistigen
anmutigen Frau verheirateten — Mannes keinen Agitator und keinen Propheten,
sondern eher einen kräftig auf tretenden, gut gelaunt kritisierenden und scharf
prüfenden Landjunker und Schollenmenschen zeigt, so verrät auch seine Kunst
selbst da, wo sie vorwärts drängende Handlung und erregteste Stimmung wieder-
gibt, die Gehaltenheit und Fülle eines sich in der Welt sicher fühlenden Daseins.
In diesem Sinne ist sie nicht ein romantisches Loblied auf das Altertum, sie ist
selbst Antike. Nicht wie die in ihrem kaltblauen und fahlgelben Glänzen und in
ihrer Linienschärfe etwas an Konynenburgs Bilder gemahnenden Werke des halb
zum Holländer gewordenen Jan Gossaert van Mabuse vor 400 Jahren taten, will
sie die holländische Malerei von der ihr einzig gemäßen Hauptstraße beseelter
Naturdurchdringung auf bizarre Seitenwege locken, sie winkt den Willigen und
Vorbereiteten in einen abgesonderten Park, wo jeder Baum, jedes Tier und jedes
Gitter die beiden Kennzeichen der Vornehmheit trägt: Besiß zu sein und selbst
zu besitzen.


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