überbürdete, eben nur sinnlich empfangene Vision der Wirklichkeit. „„Kunst“ be-
ginnt in einem Kunstwerk allzeit dort, wo „Natur“ in Ubernatur, in Begriff, in
Geist auf geht“ (1914). Sittlich verlangt er über das Auf hören der herkömmlichen
THEO VAN DOESBURG
MÄDCHEN IM ATELIER«
Abstrakte Gestaltung, erster Zustand
THEO VAN DOESBURG
»MÄDCHEN IM ATELIER«
Abstrakte Gestaltung, zweiter Zustand
Antropomorphisierung der irdischen Umwelt hinaus vom Menschen dasEntwerden
vornehmlich sich selber gegenüber, die Abstrahierung von allen Beigefühlen und
Beibeweggründen, den Eingang in jene Stille, die noch über dem künstlerischen
Schaffensglücke ist. „Mein lefftes Gefühl ist, dab ich durch die Kunst hindurch,
über die Kunst hinweg mich fortgewachsen habe und dab ich die Kunst fortan fin-
den Geist als ein unzureichendes Hilfsmittel betrachten mufA (1920).
Auf der Suche nach dem Absoluten, in deren Verfolg van Doesburg mit Not-
wendigkeit die ganze Summe der geschichtlich gewordenen Handwerksübereinkünfte
der Malerei Stüde um Stück abtragen mu|, weil diese aus einstigen Wahrheits-
wiederspiegelungen heute zu hohler Zerrbilderei entarteten, stellen sich die
mathematischen Grundformen als die einzigen heraus, auf die sich Vertrauen sehen
und mit denen sich an den Aufbau eines neuen Stils herantreten labt. Nur durch sie
wird die vollständige Befreiung des malerischen Werks von der Natur, die lücken-
lose Übertragung individuellen Lebensgefühls in den Rhythmus der Idee zur Mög-
lichkeit. „Die Frage, die nach dem Impressionismus zu lösen blieb, lautete: Kann
die Naturform aus dem Gemälde verschwinden, ohne dab dieses Fehlen dem Ge-
mälde als solchem schadet? Kann der Inhalt des Gemäldes allein durch die bildende
Form getragen werden? — — Die Formen reinster Beschaffenheit sind die mathe-
matischen. Diese sprechen für sich selber, weil sie als solche einen Inhalt haben.
Dieser Inhalt ist der Raum, und da die bildende Kunst jeder Gattung in erster
275
ginnt in einem Kunstwerk allzeit dort, wo „Natur“ in Ubernatur, in Begriff, in
Geist auf geht“ (1914). Sittlich verlangt er über das Auf hören der herkömmlichen
THEO VAN DOESBURG
MÄDCHEN IM ATELIER«
Abstrakte Gestaltung, erster Zustand
THEO VAN DOESBURG
»MÄDCHEN IM ATELIER«
Abstrakte Gestaltung, zweiter Zustand
Antropomorphisierung der irdischen Umwelt hinaus vom Menschen dasEntwerden
vornehmlich sich selber gegenüber, die Abstrahierung von allen Beigefühlen und
Beibeweggründen, den Eingang in jene Stille, die noch über dem künstlerischen
Schaffensglücke ist. „Mein lefftes Gefühl ist, dab ich durch die Kunst hindurch,
über die Kunst hinweg mich fortgewachsen habe und dab ich die Kunst fortan fin-
den Geist als ein unzureichendes Hilfsmittel betrachten mufA (1920).
Auf der Suche nach dem Absoluten, in deren Verfolg van Doesburg mit Not-
wendigkeit die ganze Summe der geschichtlich gewordenen Handwerksübereinkünfte
der Malerei Stüde um Stück abtragen mu|, weil diese aus einstigen Wahrheits-
wiederspiegelungen heute zu hohler Zerrbilderei entarteten, stellen sich die
mathematischen Grundformen als die einzigen heraus, auf die sich Vertrauen sehen
und mit denen sich an den Aufbau eines neuen Stils herantreten labt. Nur durch sie
wird die vollständige Befreiung des malerischen Werks von der Natur, die lücken-
lose Übertragung individuellen Lebensgefühls in den Rhythmus der Idee zur Mög-
lichkeit. „Die Frage, die nach dem Impressionismus zu lösen blieb, lautete: Kann
die Naturform aus dem Gemälde verschwinden, ohne dab dieses Fehlen dem Ge-
mälde als solchem schadet? Kann der Inhalt des Gemäldes allein durch die bildende
Form getragen werden? — — Die Formen reinster Beschaffenheit sind die mathe-
matischen. Diese sprechen für sich selber, weil sie als solche einen Inhalt haben.
Dieser Inhalt ist der Raum, und da die bildende Kunst jeder Gattung in erster
275