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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Roland Holst-Van der Schalk, Henriette: Fünf Gedicht: Deutsche Übertragung von Max Pulver
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0318

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3.

Wie Wasser, die im Frühling über Weiden
Hinfluten, dann sinken, wenns Jahr wird alt,
Gebärde, Aug’ und Lippen überwallt
Die Seele so in jungen Lebenszeiten.
Doch bald wird sie der Sichtbarkeit entgleiten,
Nimmt selten nur von Mensch zu Mensch Gestalt.
In Einsamkeiten zum Kristall geballt
Lebt sie und harrt der groben trübsten Zeiten.
Und Mauern wachsen: Etwas scheint verloren,
Was Jugend einst besah, die Kühnsten tasten
In Angst gebückt zu sehn, was ihr entsprang.
Mut! Nur gewichtiger sind ihre Lasten
Durch viel Besinnung, mühsam zu den Toren
Steigt nun durch reiche Fracht beschwert ihr Gang.
4.
Zu seltnen Malen erleben wir Zeiten,
Wo klägliche Umstrickungen von uns lassen,
Das Herz wie ein Mann am Meer, wennrs verlassen,
Verloren schaut in die endlose Weite!
Manchmal geht es und kommt gefeit vorbei den
Grenzen des Orts, die in Niederung blassen,
Und findet das Hochland, wo Gipfelmassen
Im späten Licht verweilen und scheiden
Die Erde vom grenzenlosen Gebiet.
Doch wenn es beginnt zum Lebten zu steigen,
So schwankt es gebückt auf das, was ihm schied.
— Die vollsichern Täler sind ihm so eigen, —
Flieht ohne Aufschau und dorthin mit Keuchen,
Wo man die lichten Säume nicht mehr sieht.
5.
Die Leben sind wie Wellen in der See —
Einigende in Einigung Verwühlte —
Aufsteigend in geschiedenem Bestehn:
Zu sterben auf der Reede in der Näh’
Oder zu der groben Starrheit zu gehn
In einer gleichen Woge Mitgespülte.

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