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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Lübbecke, Fred: Das neue Museum in Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0424

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Meckel. Säle mit ausgezeichnet konservierten und aufgestellten Arbeiten der
Prähistorie schlichen sich an. Immer wieder erstaunt man bei dem Gedanken,
daß all diese Formen dem Boden des engbegrenzten mittelrheinischen For-
schungsgebietes entstiegen. Wie klar scheidet sich hier die rohere paläoÜthische
von der oft schon preziösen neolithischen Kultur, wie viel reicher ist die Bronzezeit
an künstlerischen Mitteln gegenüber der tedinisch vorgeschritteneren Eisenzeit.
Verhältnismäßig kurz ist die Spanne, die die Keramik dieser leßten Epochen von
der römischen trennt. Die Germanen zur Zeit Caesars hatten bereits eine eigene
Kultur, die ihnen den Widerstand erleichtern half. Im Erdgeschoß und ersten
Stock breitet sich dann das römisch-germanische Kunstgewerbe. Gewiß, es bleibt
meistens — gemessen an den römischen Ausgrabungen — Grenzerkultur. Ihre
Werke — von denen auch die vorzüglichen Pläne und Nachbildungen der Kastelle
und Thermen eindringlich sprechen — bezeugen dem, der die großen völker-
geschichflichen Zusammenhänge weniger intellektuell als gefühlsmäßig erfaßt, daß
in dieser, früher als Verfallszeit gebrandmarkten spätrömischen Epoche alle Keime
der mittelalterlichen, ja noch unseres eigenen Formenaufbaues zu suchen sind.
Troß des zeitweisen Niederganges in fränkischer Zeit! Rührend sind die seltenen
Grabsteine mit dem Monogramm Christi aus dem 6. Jahrhundert, dünn und
duftlos die Zeichnung wie Herbstzeitlosen. Rom scheint überwunden zu sein, um
in der romanischen Zeit — nach der Wiedergeburt seiner Weltmacht im Papst-
tum — umso glanzvoller wieder emporzusteigen.
Der Aufzug führt in den zweiten Stock. Burgen und Dome des Landes — Limburg,
Erbach, Königstein — werden in Nach- und Abbildungen gezeigt. Trümmer ihrer
Herrlichkeit birgt der gotisierend gebaute Aditeck-Kuppelsaal: köstliche romanische
henster aus dem Kloster Tiefenthal und dem Kloster Eberbach, ebendorther
eine wundervolle Statue eines sißenden Heiligen um 1420, einen frühgotischen
Faltstuhl, wie ihn kaum gleichschön eine andere Sammlung der Welt besißen wird,
Altäre und Statuen, einen bemerkenswerten frühgotischen Kruzifixus. Daneben
breiten sich dann die Erzeugnisse der engeren Landeskultur: Trachten und Geräte.
Nassau hatte bis in unsere Zeit zwei Gewerbe besonderer Art: den Eisenguß und
die Töpferei. Von Nassau an der Lahn wanderten weithin durch die deutschen
und fremden Lande die oft prächtig verzierten Gußplatten für Ofen und Kamine
mit biblischen und weltlichen Darstellungen, Wappen und Sprüchen. Besonders
beliebt war die Historie des Weinwunders von Kanaan, deren stilistische Entwick-
lung man hier vom 15. bis 18. Jahrhundert verfolgen kann. Dem Eisenguß
innerlich verwandt ist die nassauische Töpferei. Auch sie verlangt Model und
Formen. Wie köstlich die spätgotischen Tonmodel Nassaus, die jüngst Bode
und Volbach veröffentlichten! Daneben blüht die Erfindungsgabe des Zeichners
und Malers. Gewöhnliche Töpfe und Kannen mit derben, aber immer gutem
Dekor kommen aus den Orten Zorn, Holzhausen, Rekert, Gasdorf; wesentlich
höher stehen die Erzeugnisse von Höhr und Grenzhausen, die wirklich künstlerische
T ormen bringen und auch für die jüngste Zeit — nach Überwindung des

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