des Materialismus und der Technik war ein neuer Frühling gefolgt: Die lang
vernachlässigte Philosophie fing an, sich zu verjüngen, und in der bildenden Kunst
traten allmählich an die Stelle der Schablonenarbeit, an Stelle der prinzipiellen Nach-
ahmung des Alten neue, aus dem Denken und den Bedürfnissen derZeit erwachsende
Lösungen.
Die junge Generation der Museumsleiter aber und der aktiv tätigen Kunstfreunde
begeisterte überall das Hamburger Wirken des genialen Lichtwark, dessen einzig-
artige, faszinierende Persönlichkeit der Verfasser bereits in Flensburg bei der
Gründungsfeier des dortigen Kunstgewerbe-Vereins kurz vor seiner Übersiedelung
nach Wiesbaden kennen gelernt hatte. Nach seinem Vorbild entstanden damals
auch an anderen Orten „Museumsvereine“, die sich in den Dienst der groben
nationalen Bewegung stellten und denen sich im Jahre 1901 auch die Wiesbadener
Gesellschaft für bildende Kunst gesellte. Als der Unterzeichnete eines Tages seinen
Plan, einen Museumsverein in der Art des Hamburger und Crefelder auch in
Wiesbaden zu gründen, O. Ollendorff entwickelte, stellte sich heraus, daß auch
dieser mit Gründungsgedanken eines Kunstvereins sich trug, der allerdings vor-
wiegend der Anlage einer Sammlung mustergültiger Wiedergaben der Hauptwerke
klassischer Meister und der Pflege des künstlerischen Dilettantismus, besonders
des weiblichen, dienen sollte. Rasch kam eineEinigung zu stände, und das Programm
des neuen Vereins erfuhr dadurch eine wertvolle Bereicherung. Leider muffte Ollen-
dorff aus Gesundheitsrücksichten sdion nach wenigen Jahren aus dem Vorstand
des Vereins zurücktreten, was eine starke Belastung für den Zurückgebliebenen
bedeutete, zumal die äußeren Widerstände in der völlig traditionslosen Stadt sidi
gröber erwiesen, als jugendliche Begeisterung sidi anfangs eingestehen wollte. Der
Widerhall, den die Tätigkeit der Gesellschaft außerhalb Wiesbadens in den kunst-
interessierten Kreisen Deutschlands fand, war daher nicht selten stärker als am
Orte ihres Wirkens selbst.
Schon aus dem oben Gesagten ging hervor, daß die Gesellschaft in der Pflege der
großen Kunst nicht ihre einzige, vielmehr nur eine gleichberechtigte Aufgabe neben'
vielen anderen erblicken konnte. Ihr Wirken auf diesem Gebiet gliederte sich in
die Ausstellungstätigkeit, die Erwerbung von wertvollen Gemälden für die Galerie,
die Beschaffung eines Grundstockes für das später nadi Eröffnung des neuen
Museums einzurichtende Schwarz-weiß-Kabinctt, sowie in die Veranstaltung regel-
mäßiger Vorträge, die natürlich auch zur Unterstützung sämtlicher übrigen Bestre-
bungen dienten.
Die Galerieankäufe sollten durdi Heranziehung des großen Vorstandes, der
jedoch nur den Vorschlägen einer bgliedrigen Kommission seine Zustimmung zu
geben oder zu versagen hatte, zugleidi einen größeren Kreis hiesiger Kunstfreunde
zu selbständiger Kunstpflege anregen und ihr Interesse für die bedeutendsten
Meister wachrufen. Bei den leider immer stark beschränkten Mitteln des Vereins,
dem nur einmal während der ersten beiden Jahre ein freigebiger Mäzen zur Seite
stand, mußten diese allerdings im Laufe der Jahre zu Gunsten der anderen kulturellen
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vernachlässigte Philosophie fing an, sich zu verjüngen, und in der bildenden Kunst
traten allmählich an die Stelle der Schablonenarbeit, an Stelle der prinzipiellen Nach-
ahmung des Alten neue, aus dem Denken und den Bedürfnissen derZeit erwachsende
Lösungen.
Die junge Generation der Museumsleiter aber und der aktiv tätigen Kunstfreunde
begeisterte überall das Hamburger Wirken des genialen Lichtwark, dessen einzig-
artige, faszinierende Persönlichkeit der Verfasser bereits in Flensburg bei der
Gründungsfeier des dortigen Kunstgewerbe-Vereins kurz vor seiner Übersiedelung
nach Wiesbaden kennen gelernt hatte. Nach seinem Vorbild entstanden damals
auch an anderen Orten „Museumsvereine“, die sich in den Dienst der groben
nationalen Bewegung stellten und denen sich im Jahre 1901 auch die Wiesbadener
Gesellschaft für bildende Kunst gesellte. Als der Unterzeichnete eines Tages seinen
Plan, einen Museumsverein in der Art des Hamburger und Crefelder auch in
Wiesbaden zu gründen, O. Ollendorff entwickelte, stellte sich heraus, daß auch
dieser mit Gründungsgedanken eines Kunstvereins sich trug, der allerdings vor-
wiegend der Anlage einer Sammlung mustergültiger Wiedergaben der Hauptwerke
klassischer Meister und der Pflege des künstlerischen Dilettantismus, besonders
des weiblichen, dienen sollte. Rasch kam eineEinigung zu stände, und das Programm
des neuen Vereins erfuhr dadurch eine wertvolle Bereicherung. Leider muffte Ollen-
dorff aus Gesundheitsrücksichten sdion nach wenigen Jahren aus dem Vorstand
des Vereins zurücktreten, was eine starke Belastung für den Zurückgebliebenen
bedeutete, zumal die äußeren Widerstände in der völlig traditionslosen Stadt sidi
gröber erwiesen, als jugendliche Begeisterung sidi anfangs eingestehen wollte. Der
Widerhall, den die Tätigkeit der Gesellschaft außerhalb Wiesbadens in den kunst-
interessierten Kreisen Deutschlands fand, war daher nicht selten stärker als am
Orte ihres Wirkens selbst.
Schon aus dem oben Gesagten ging hervor, daß die Gesellschaft in der Pflege der
großen Kunst nicht ihre einzige, vielmehr nur eine gleichberechtigte Aufgabe neben'
vielen anderen erblicken konnte. Ihr Wirken auf diesem Gebiet gliederte sich in
die Ausstellungstätigkeit, die Erwerbung von wertvollen Gemälden für die Galerie,
die Beschaffung eines Grundstockes für das später nadi Eröffnung des neuen
Museums einzurichtende Schwarz-weiß-Kabinctt, sowie in die Veranstaltung regel-
mäßiger Vorträge, die natürlich auch zur Unterstützung sämtlicher übrigen Bestre-
bungen dienten.
Die Galerieankäufe sollten durdi Heranziehung des großen Vorstandes, der
jedoch nur den Vorschlägen einer bgliedrigen Kommission seine Zustimmung zu
geben oder zu versagen hatte, zugleidi einen größeren Kreis hiesiger Kunstfreunde
zu selbständiger Kunstpflege anregen und ihr Interesse für die bedeutendsten
Meister wachrufen. Bei den leider immer stark beschränkten Mitteln des Vereins,
dem nur einmal während der ersten beiden Jahre ein freigebiger Mäzen zur Seite
stand, mußten diese allerdings im Laufe der Jahre zu Gunsten der anderen kulturellen
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