zagend zu renovieren wagen, geschweige denn ihn abtragen wollen, (Manches
Werk seiner Gesellen dürfte getrost dem Umbau, auch der Spitzhacke verfallen,)
Audi das gemeißelte Spißenwerk, etwa des Sommernachtstraums, soll man lassen
stahn. Sie blieben fest im Sturm der Zeit. Aber in gleichem Maße auch das luftige
Gezelt der Lustspielprosa?
Hier erhebt sich die Frage: Soll die Aufführung eines Shakespearesdien Lustspiels
ein kulturhistorischer Exkurs, ein lehrhaftes Vergnügen Gebildeter — oder soll sie
eine auch noch heute unmittelbar und unbedenklich zu genießende künstlerische
Freude sein?
Im besten Falle lautet die Frage so.
Im schlimmeren: Soll das Shakespearesche Lustspiel auch heute noch in seiner
Ganzheit und Fülle, mit seiner komischen Welt, mit dem tiefen Ernst seiner
komischen Gestalten, mit dem stürzenden Fluß seiner Worte, den auf einander-
schlagenden und -sprühenden Reden und Gegenreden dastehen und wirken —
oder: soll sein Inhalt, zur Pantomime entfleischt, notdürftig gezeigt und dazu mit
einer lückenlosen Kette von Zirkuskapriolen über die, ehren- und schandenhalber,
nun doch einmal unerläßliche Textbegleitung hinweggeholfen werden? —
Weit weniger seines Inhaltes als seines Ausdrucks wegen altert das komische Spiel
rascher als das tragische. Zum Schauder scheint das ungeheure Geschehen an sich
schon zu genügen. Es spricht, „hat es gleich keine Zunge doch mit wunderbaren
Stimmen". Und Dichters Sprache aller Zeiten beschwört stets aufs neue das
tausendjährige Weh. Das Lachen, dagegen, will — auch auf ewig komischem Unter-
grund — durch das dem Zeitempfinden angepaßte Wort gelöst werden. Es gibt
keinen tausendjährigen Wiß. Sophokles erschüttert noch heute, obgleidr sein von
Götterlaunen gelenktes „Schicksal“ uns fremd ist: über Aristophanes lachen wir
nicht, obgleich seine verspotteten Dinge und Menschen dauernd und immer aufs
neue wieder vorhanden sind.
Shakespeares Lustspiel in seiner Originalsprache aber lebt dem Inhalt wie dem
Worte nach nodr heute in erstaunlicher Frische. Vielleicht: „weil Kürze denn des
Wißes Seele ist". Weil die englische Sprache in ihrer trockenen Telegraphenknapp-
heit so ungemein modern ist, dem modernen Verlangen an die Form des Humors
so sehr entgegenkommt. Der deutsche Shakespeare aber stammt aus der Zeit, da
Iffland und Koßebue die Kenner jener Spradrf ormen waren, die deutsche Hörerschaft
lachen madite: eine dahingegangene, minder eilige, nachdenksamere Hörerschaft
als uns Heutige, die wir den weitläufigen Prägungen jener beschaulichen Tage
nicht willig und gutlaunig folgen.
Der lebendigen deutschen Bühne, also, gelte in erster Linie ein bescheidener kecker
Versuch, Shakespearesche Lustspieldiktion in einer Form zu geben, die sich der
Einfachheit, dem Schwung und Fluß, der steten Wirkung und Pointe des Urtextes
mehr als die bisherige anzuähneln vermeint.
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Werk seiner Gesellen dürfte getrost dem Umbau, auch der Spitzhacke verfallen,)
Audi das gemeißelte Spißenwerk, etwa des Sommernachtstraums, soll man lassen
stahn. Sie blieben fest im Sturm der Zeit. Aber in gleichem Maße auch das luftige
Gezelt der Lustspielprosa?
Hier erhebt sich die Frage: Soll die Aufführung eines Shakespearesdien Lustspiels
ein kulturhistorischer Exkurs, ein lehrhaftes Vergnügen Gebildeter — oder soll sie
eine auch noch heute unmittelbar und unbedenklich zu genießende künstlerische
Freude sein?
Im besten Falle lautet die Frage so.
Im schlimmeren: Soll das Shakespearesche Lustspiel auch heute noch in seiner
Ganzheit und Fülle, mit seiner komischen Welt, mit dem tiefen Ernst seiner
komischen Gestalten, mit dem stürzenden Fluß seiner Worte, den auf einander-
schlagenden und -sprühenden Reden und Gegenreden dastehen und wirken —
oder: soll sein Inhalt, zur Pantomime entfleischt, notdürftig gezeigt und dazu mit
einer lückenlosen Kette von Zirkuskapriolen über die, ehren- und schandenhalber,
nun doch einmal unerläßliche Textbegleitung hinweggeholfen werden? —
Weit weniger seines Inhaltes als seines Ausdrucks wegen altert das komische Spiel
rascher als das tragische. Zum Schauder scheint das ungeheure Geschehen an sich
schon zu genügen. Es spricht, „hat es gleich keine Zunge doch mit wunderbaren
Stimmen". Und Dichters Sprache aller Zeiten beschwört stets aufs neue das
tausendjährige Weh. Das Lachen, dagegen, will — auch auf ewig komischem Unter-
grund — durch das dem Zeitempfinden angepaßte Wort gelöst werden. Es gibt
keinen tausendjährigen Wiß. Sophokles erschüttert noch heute, obgleidr sein von
Götterlaunen gelenktes „Schicksal“ uns fremd ist: über Aristophanes lachen wir
nicht, obgleich seine verspotteten Dinge und Menschen dauernd und immer aufs
neue wieder vorhanden sind.
Shakespeares Lustspiel in seiner Originalsprache aber lebt dem Inhalt wie dem
Worte nach nodr heute in erstaunlicher Frische. Vielleicht: „weil Kürze denn des
Wißes Seele ist". Weil die englische Sprache in ihrer trockenen Telegraphenknapp-
heit so ungemein modern ist, dem modernen Verlangen an die Form des Humors
so sehr entgegenkommt. Der deutsche Shakespeare aber stammt aus der Zeit, da
Iffland und Koßebue die Kenner jener Spradrf ormen waren, die deutsche Hörerschaft
lachen madite: eine dahingegangene, minder eilige, nachdenksamere Hörerschaft
als uns Heutige, die wir den weitläufigen Prägungen jener beschaulichen Tage
nicht willig und gutlaunig folgen.
Der lebendigen deutschen Bühne, also, gelte in erster Linie ein bescheidener kecker
Versuch, Shakespearesche Lustspieldiktion in einer Form zu geben, die sich der
Einfachheit, dem Schwung und Fluß, der steten Wirkung und Pointe des Urtextes
mehr als die bisherige anzuähneln vermeint.
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