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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Schmidt, Paul Ferdinand: Heinrich Campendonk
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0500

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HEINRICH CAMPENDONK

PAUL F. SCHMIDT

Von Campendonk ist das Werk der lebten Jahre in Frankfurt (bei Zingler)
zu sehen. Diese sdiöne und gesdrlossene Schau gibt die günstigste Ge-
legenheit, sich mit seinen ganzen Wesen und seiner Stellung innerhalb
der deutschen Kunst auseinanderzusehen.
Campendonk ist am 3. November 1889 in Crefeld geboren, also noch nicht 32 Jahre
alt, und somit der Jüngste von den selbständigen Malern aus der Generation von
»Brücke« und »Blauer Reiter«. Das muh bedacht werden, wenn man die Länge
seiner Entwicklung übersieht, und dab er erst Jetst eigentlich zu einer Festigung
und inneren Reife seiner Form gelangt ist, ja dab man wohl sagen kann, er beginnt
den wesentlichen Teil seines Weges erst in der Gegenwart. Das Entwicklungstempo
seines Freundes Marc war ein viel stürmischeres; vielleicht spiegelt sich darin die
Verschiedenheit ihres Schicksals, und Marcs allzufrüher Tod auf dem Schlachtfelde
wirkte schon vorahnend, beschleunigend auf seine Entfaltung. Mit 15 Jahren kam
Campendonk zu Thorn-Prikker in Krefeld und legte dort den Grund zu solider
handwerklicher Arbeit. Selbstverständlich ist es, daf> er ganz im Sinne jenes großen
Zeichners arbeitete: und vielleicht ist die Sicherheit, ja die Eleganz seiner Linien-
führung, vor allem im Holzschnitt, auf diese treffliche Grundlage zurückzuführen.
Es kamen Jahre selbständigen Studiums, in denen er sich in realistischer Landschaft
versuchte; ein durch Macke eingeleiteter Briefwechsel mit Kandinsky und Marc
führte ihn endlich, im Jahre 1911, nach Sindelsdorf in Oberbayern, wo sich Marc
niedergelassen hatte. Die grobe Wandlung in seiner Anschauung hatte sich freilich
sdion vorher vollzogen, auf der Sonderbundausstellung 1911, die für so viele Künstler
die entscheidende Umkehr gebracht hat.
Hier, in der Atmosphäre des Blauen Reiters, dessen geistiges Oberhaupt Kandinsky
war — und an dessen berühmter Publikation von 1912 sich Campendonk auch
beteiligte — fand der junge Maler sich selbst und seine Bestimmung. Man hat
ihn allzuoft in den Schatten Marcs gestellt und nicht bedacht, dab ein Zweiund-
zwanzigjähriger nicht ausgereift sein kann; dab so übermächtige Eindrücke, wie
sie damals die Malerei von Kandinsky, Marc, Kokoschka gaben — das Ausgereifteste
und Persönlichste, was neben Nolde und der Dresdner »Brücke« überhaupt in Deutsch-
land geschaffen wurde — mit Notwendigkeit den jungen Rheinländer überwältigen
mubten. Was er damals malte, war gewib nicht von vollkommener Selbständigkeit,
war nidrt einmal innerer Ausdruck seines Persönlichsten. Wie wenig sicher er sich
fühlte und wie lebhaft die groben Strömungen der Zeit auf sein empfängliches
Gemüt wirkten, beweisen die acht oder neun Gemälde und die Zeichnungen, die
deutlichen Einflub des französischen Kubismus, etwa Legers, verraten, und die wie

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