bestimmten modernen Entwicklung des Theaters zu vielen Bühnenteitern schon abhanden gekommen,
als dah wir eine Wendung zum Besseren von innen heraus noch erwarten dürften.
Wird nun auch unzweifelhaft die so notwendige Abkehr von ihrem faisdien Wege den Bühnen
von au$en her aufgezwungen werden — durch die zeitgemäß schledite finanzielle Lage, die fast
alle Theaterleiter zu größter Sparsamkeit, zur Vereinfachung vor allem des Bühnenbildes zwingt:
so ist auch damit die Wendung zum Besseren nodi keineswegs gewährleistet. Gewih wird, wenn
erst einmal das Prinzip des gegenseitigen Ubertrumpfens durch „glänzende“ Ausstattungen zu
Grabe getragen sein wird, der Weg zu einem dem Gesamtstil der Aufführung organisdi ver-
bundenen, nidit mehr seine Einhcitlidikeit zerstörenden Bühnenbild wieder frei sein. Aber weldies
wird dann der redite Weg sein?
Keinesfalls der, den gewandte Umlerner unter den Bühnenleitern vielfadi jefft einsdhlagen, die,
aus einem Extrem ins andere fallend, Besdiränkung auf eine Art des Bühnenbildes für alle
Aufführungen, auf die „Stilbühne“ empfehlen. Die Sfilbühne ist kein Allheilmittel, und es
gehl auch nidit an, die Forderung ihrer Alleinherrschaft damit zu begründen, dah sie dem künst-
lerischen Gesamtstil unserer Zeit adäquat sei. Selbst wenn sie es wäre (dalj sie es nidit ist,
wird noch zu zeigen sein): es wurde sdion betont, dah nach dem Stil der Dichtung allein der
Bühnenstil sidi orientieren dürfe und nicht nadi dem künstlerisdien Gesamtstil der Zeit, in der
die Dichtung auf geführt wird. Es wird also zu jeder Zeit ein naturalistisches Drama in natura-
listischem Rahmen gespielt werden müssen, ein romantisdies in romantischem, und es wird beim
klassischen Versdrama nur, allenfalls bei Shakespeare und Moliere noch (sofern bei diesen beiden
nicht Rückkehr zu der primitiven Bühne geboten scheint, für die sie ihre Dramen schrieben), die
Stilbühne gebilligt werden können. Hier ist die schlichte Grölte ihrer Linien, ist die Ruhe ihrer
Farben, die Harmonie ihrer Raumverhältnisse am rechten Platte, — dort würden sie stilwidrig
wirken. So entschieden wir gegen das Prinzip „Ausstattung ä tout prix“ Front madien, so ent-
schieden müssen wir audi vor dem der Vereinfadiung a tout prix warnen.
Für das Drama unserer Tage, für die „expressionistische“ Biihnendiditung wird ein Bühnenstil
gefunden werden müssen, der in seiner Art ebenso erstmalig ist wie sie in der ihren. Und ein
Bühnenbild, das sidi von dem der Stilbühne in gleidier Weise unterscheidet wie das Drama
von heute von dem um 1800. Kennzeichnet in der Dichtung dieser Unterschied sidi so, dah
im klassischen Drama die Idee von der Wirklidikeit aus gesucht, die Wirklidikeit in der Idee
verklärt, ihre Mannigfaltigkeit und Kleinheit zu Einfachheit und Grölje erhoben wird, während
der Dramatiker unserer Tage von der reinen Idee aus in die Wirklidikeit vorstö^t, sie in der
Wirklichkeit variiert, in mannigfaltigstem Detail sidi auswirken läljf: so wird audi die „Ausdrucks-
bühne“ (um eine der „Ausdrucksdiditung“ konforme Bezeichnung für das zu schaffende, hier
und da sdion werdende neue Bühnenbild zu wählen), vom Abstrakten ausgehend, Wirklichkeit
durchdringen müssen, während die Stilbühne Wirklichkeit im Abstrakten zu verklären trachtet.
Es wird also der Gestalter des neuen Bühnenbildes mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung
stehen, den Stimmungsgehalt, die geistige" Bedeutung des ganzen Spiels und jeder einzelnen
Szene herauszuarbeiten, zu unterstreichen, sie dem Zuschauer möglichst nahe zu bringen haben,
und er wird dabei im Szenarium gefordertes Dingliches nur soviel darstellen, wie zur Versinnbild-
lidiung des primären Geistigen notwendig und geeignet scheint. Er wird nach eigenem Ermessen
„Einrichtungsstücke“ fortlassen oder hinzufügen, und er wird sie zu Symbolen umgestalten
dürfen.
Nidit mehr an irgendwcldie zu kopierenden oder vorzufäuschenden Wirklichkeitsformen gebunden
wird so der Bühnenbildner in der gröberen Freiheit seiner Phantasie, in der größeren Möglidikeit,
persönliches Stilgefühl auszuwirken, in der schöpferischen Sendung, die ihm hier wird, reidie Ent-
schädigung finden für den Verzicht auf seine bisherige selbständige, ja, vielfadi herrschende Stellung;
man darf behaupten, dalj er, in der Rolle eines Vermittlers zwischen Dichter und Zuschauer, in
der Unterordnung unter die Diditung, erst zu seiner vollen Bedeutung gelangt. Die Ausdrucksbühne
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als dah wir eine Wendung zum Besseren von innen heraus noch erwarten dürften.
Wird nun auch unzweifelhaft die so notwendige Abkehr von ihrem faisdien Wege den Bühnen
von au$en her aufgezwungen werden — durch die zeitgemäß schledite finanzielle Lage, die fast
alle Theaterleiter zu größter Sparsamkeit, zur Vereinfachung vor allem des Bühnenbildes zwingt:
so ist auch damit die Wendung zum Besseren nodi keineswegs gewährleistet. Gewih wird, wenn
erst einmal das Prinzip des gegenseitigen Ubertrumpfens durch „glänzende“ Ausstattungen zu
Grabe getragen sein wird, der Weg zu einem dem Gesamtstil der Aufführung organisdi ver-
bundenen, nidit mehr seine Einhcitlidikeit zerstörenden Bühnenbild wieder frei sein. Aber weldies
wird dann der redite Weg sein?
Keinesfalls der, den gewandte Umlerner unter den Bühnenleitern vielfadi jefft einsdhlagen, die,
aus einem Extrem ins andere fallend, Besdiränkung auf eine Art des Bühnenbildes für alle
Aufführungen, auf die „Stilbühne“ empfehlen. Die Sfilbühne ist kein Allheilmittel, und es
gehl auch nidit an, die Forderung ihrer Alleinherrschaft damit zu begründen, dah sie dem künst-
lerischen Gesamtstil unserer Zeit adäquat sei. Selbst wenn sie es wäre (dalj sie es nidit ist,
wird noch zu zeigen sein): es wurde sdion betont, dah nach dem Stil der Dichtung allein der
Bühnenstil sidi orientieren dürfe und nicht nadi dem künstlerisdien Gesamtstil der Zeit, in der
die Dichtung auf geführt wird. Es wird also zu jeder Zeit ein naturalistisches Drama in natura-
listischem Rahmen gespielt werden müssen, ein romantisdies in romantischem, und es wird beim
klassischen Versdrama nur, allenfalls bei Shakespeare und Moliere noch (sofern bei diesen beiden
nicht Rückkehr zu der primitiven Bühne geboten scheint, für die sie ihre Dramen schrieben), die
Stilbühne gebilligt werden können. Hier ist die schlichte Grölte ihrer Linien, ist die Ruhe ihrer
Farben, die Harmonie ihrer Raumverhältnisse am rechten Platte, — dort würden sie stilwidrig
wirken. So entschieden wir gegen das Prinzip „Ausstattung ä tout prix“ Front madien, so ent-
schieden müssen wir audi vor dem der Vereinfadiung a tout prix warnen.
Für das Drama unserer Tage, für die „expressionistische“ Biihnendiditung wird ein Bühnenstil
gefunden werden müssen, der in seiner Art ebenso erstmalig ist wie sie in der ihren. Und ein
Bühnenbild, das sidi von dem der Stilbühne in gleidier Weise unterscheidet wie das Drama
von heute von dem um 1800. Kennzeichnet in der Dichtung dieser Unterschied sidi so, dah
im klassischen Drama die Idee von der Wirklidikeit aus gesucht, die Wirklidikeit in der Idee
verklärt, ihre Mannigfaltigkeit und Kleinheit zu Einfachheit und Grölje erhoben wird, während
der Dramatiker unserer Tage von der reinen Idee aus in die Wirklidikeit vorstö^t, sie in der
Wirklichkeit variiert, in mannigfaltigstem Detail sidi auswirken läljf: so wird audi die „Ausdrucks-
bühne“ (um eine der „Ausdrucksdiditung“ konforme Bezeichnung für das zu schaffende, hier
und da sdion werdende neue Bühnenbild zu wählen), vom Abstrakten ausgehend, Wirklichkeit
durchdringen müssen, während die Stilbühne Wirklichkeit im Abstrakten zu verklären trachtet.
Es wird also der Gestalter des neuen Bühnenbildes mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung
stehen, den Stimmungsgehalt, die geistige" Bedeutung des ganzen Spiels und jeder einzelnen
Szene herauszuarbeiten, zu unterstreichen, sie dem Zuschauer möglichst nahe zu bringen haben,
und er wird dabei im Szenarium gefordertes Dingliches nur soviel darstellen, wie zur Versinnbild-
lidiung des primären Geistigen notwendig und geeignet scheint. Er wird nach eigenem Ermessen
„Einrichtungsstücke“ fortlassen oder hinzufügen, und er wird sie zu Symbolen umgestalten
dürfen.
Nidit mehr an irgendwcldie zu kopierenden oder vorzufäuschenden Wirklichkeitsformen gebunden
wird so der Bühnenbildner in der gröberen Freiheit seiner Phantasie, in der größeren Möglidikeit,
persönliches Stilgefühl auszuwirken, in der schöpferischen Sendung, die ihm hier wird, reidie Ent-
schädigung finden für den Verzicht auf seine bisherige selbständige, ja, vielfadi herrschende Stellung;
man darf behaupten, dalj er, in der Rolle eines Vermittlers zwischen Dichter und Zuschauer, in
der Unterordnung unter die Diditung, erst zu seiner vollen Bedeutung gelangt. Die Ausdrucksbühne
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