Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

DOI Artikel:
Stotz, Gustav: Stuttgarter Architektur und Kunstgewerbe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0583

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Viele Hemmungen bereitete der Krieg unserer im Kunstgewerbe tätigen
Jugend. Nun die Jungen wieder zu Hause sind, gärt und schafft es an allen
Ecken und Enden. Unter Führung des als Vorkämpfer für die Werkbunds
ideen bekannten Industriellen, Geheimrat Dr. Peter Bruckmann, der sich
in der lebendigsten Weise für Fortschritt und Jugend einsetzt, ist die würt*
tembergische Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Werkbunds gegründet wor*
den. Ihr fällt die große und wichtige Aufgabe zu, der gerade in Württemberg
so hochentwickelten Verarbeitungs* und Veredelungsindustrie die wertvoll*
sten künstlerischen Kräfte des Landes zuzuführen, denn der ganze Reichtum
neuer künstlerischer Gedanken wird nur durch die Ausführung zu leben*
diger Wirksamkeit erlöst.
Ähnliche Erwägungen und dazu noch das Moment gegenseitiger geistiger
Befruchtung und Förderung bei reger künstlerischer Zusammenarbeit haben
den Zusammenschluß einer kleinen Anzahl junger Künstler der verschie*
densten Gebiete in den Ludwigsburger Werkstätten herbeigeführt. Es
ist kein Zweifel, daß das Anregende einer solchen Zusammenarbeit bei gleich*
gerichteten künstlerischen Zielen das Entstehen von Höchstleistungen be*
günstigt, vorausgesetzt daß ein starker künstlerischer Wille die Schar dis*
zipliniert.
Mehr als je drängen heute Malerei und Plastik ins Leben hinein und
wollen wieder getragen sein von den lebendigen Kräften des Volkes; sie
wollen wieder mehr sein, als eine nur ästhetisch*wissenschaftliche Ange*
legenheit einiger feinfühliger Snobs. Darum sind es auch gerade die leben?
digsten, die am rücksichtslosesten und konsequentesten in künstlerisches
Neuland hineinstoßenden Künstler, die sich mehr und mehr der Gebiete
angewandter Kunst bemächtigen. Schlemmer und Baumeister, deren Kunst
an anderer Stelle noch gewürdigt wird, haben den Schritt getan: Baumeister
mit Teppichentwürfen und Batikarbeiten, Schlemmer mit Bauplastik; beide
auch mit Inszenierungen außerordentlicher Art an hiesigen Theatern. Diese
Tatsache soll ein glückverheißendes Symptom sein für eine neue Bereiche*
rung und geistige Durchdringung der angewandten Kunst, die dadurch
herausgehoben wird aus der Sphäre des etwas Überflüssigen, nur *Deko*
rativen. Sie stellt sich heute einerseits wieder auf den Boden materialgerechten,
aus dem Handwerklichen erwachsenen Gestaltens, andererseits läßt sie sich
mit zeitgemäßem Lebensgefühl neu durchfluten. Je einheitlicher aber unser
Lebensgefühl wird, das alle unsere Kunstleistungen formt, desto näher
kommen wir auch wiederder großen geistigen und formalen Einheit unserer
Kunstleistungen, die mit dem bedeutsamen Worte »Stil« bezeichnet wird.

552
 
Annotationen