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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Missenharter, Hermann: Schwäbische Dichtung: Betrachtung zur Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0596

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ihrer bunten Gesamtheit eine neue, gesündere, wirklich im Volk wurzelnde deutsche Kultur
erreicht werden kann, so erwächst den Schwaben aus ihrer reichen geistigen Vergangenheit
eine besonders schöne und schwere Verpflichtung. Freilich, die Württemberger, die ja nur
einen willkürlich aus dem alten großen Stammland herausgeschnittenen Teil ausmachen,
müssen wieder lernen, sich als Schwaben zu fühlen, als Alemannen, deren Reich über die
politischen Grenzen hinweg von Bern bis zum nördlichen Schwarzwald, von Zürich und
dem Bodensee bis an die Vogesen reicht. Nur wenn das Gefühl innerster Zusammengehörig*
keit in diesen Teilen einer Landschaft wieder lebendig wird, kann künftig der alemannische
Geist, der die notwendige Ergänzung zum Preußentum bildet, wieder befruchtend zum
Heil der Gesamtheit des deutschen Volkes sich auswirken. Die Anzeichen mehren sich,
daß die Schwaben sich zu sammeln willens sind. Auch die deutsche Schweiz; soweit sie
nicht im Banne der Sieger töricht befangen ist, beginnt wieder zu merken, daß sie selbst
kulturell aufs schwerste gefährdet ist, wenn das Deutschtum die furchtbare Krise nicht über*
windet. In dieser Selbstbesinnung aller Schwaben, aller Alemannen, in dieser Neugeburt des
alten Begriffs »Oberdeutschland« liegt alles andere als ein partikularistisches Streben: »Ge*
rade in Zeiten fortschreitender Unifikation und Reichsherrschaft kann es nur erfrischend
wirken, wenn die landschaftlichen Elemente nicht untergehen und die eigentlichen Heimat*
genossen noch ihre spezielle Freude aneinander haben. Leuten, die nie ein Land, ein Tal
ihrer Kindheit, ihrer Väter besaßen und kein Heimatgefühl kennen, geht gewiß auch als
Staatsbürger etwas ab«, hat Gottfried Keller einmal geschrieben. Und der würdigste Erbe
seiner Art und Kunst, der Basler Jakob Schaffner, hat kürzlich das schöne Wort geprägt,
das uns Mut machen darf bei dem schweren Gang in das Dunkel der deutschen Zukunft:
»Es war nie üble Zeit für Deutschland, wenn die Schwaben im Reich sich regten 1«



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