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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Frank, Bruno: Traum des Richters
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0610

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DIE GELIEBTE:
Was wurde mir Gutes? Minuten des Wahns!
REGINE:
Um solche Minuten allein schlägt deines Lebens Uhr.
DIE GELIEBTE:
Was kümmere ich ihn! Was weiß er von mir, meinem Blut? Immer läßt er mich los — nach
seinem raschen Genuß.
DIE STIMMEN murmelnd :
Schuldig.

REGINE:
DIE GELIEBTE:

Weibes Erbteil.
So sprichst du?
REGINE:
Ich, der das Schlimmste geschah. Rede doch: hat er dir gelogen? Nein. Rede doch: hat er
dein menschlich Teil verhöhnt? Nein. Rede doch: hat er dein Herz zerstört? Nein. Ein
Böses nur weiß ich.
DIE GELIEBTE:
Nenn’ es! (Kleines Schweigen.)
REGINE:
Hat er dich nicht geliebt? Sprich!
DIE GELIEBTE wie gegen ihren Willen:
Ja. Er hat mich geliebt.
REGINE:
Eingeschlossen ist er in eines Mannes Leib. Blind ist er vorm Schöpfungstrug. Die lockenden
Schleier durchblickt er nicht. Schicksal, Schicksal. Nicht Schuld.

DIE STIMMEN murmelnd:
REGINE:

Nicht Schuld.
Gattin und Mutter — sprich du!
DIE GATTIN:
Meine Schönheit ging dahin — er hat sie zerstört und zürnte mir dann.
REGINE:
Nicht dir. Dem Gesetz!
DIE GATTIN:
Andere verlockten ihn. Treulos ward er mir.
REGINE:
Und kam dir immer zurück.
DIE GATTIN:
Sein Leben verschloß er mir. Sein Wirken verschwieg er mir.
REGINE:
Seine Sorgen ersparte er dir. Deinen Frieden erhielt er dir.
DIE GATTIN:
Meinen Aufwand mißgönnte er mir. Meinen Hausstand schalt er mir.
REGINE:
Deinen Leichtsinn band er dir. Deine Zukunft gewann er dir.
DIE GATTIN:
Die Kinder ließ er mir. Ihre Wohlfahrt lastet auf mir.

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