die moderne Opernregie nur bei Gluck erfolgreich reformierend betätigen können. Mozart
und die Romantiker sind bei fast jeder Neuinszenierung daran gescheitert, daß die Los*
lösung von der Tradition, das heißt in diesen Fällen die Überwindung der früheren
dekorativen Einrichtung, die doch, historisch gesehen, nur zufällig, nicht notwendig war,
nicht radikal genug durchgeführt wurde. Früher war das dekorative Gewand mehr oder
weniger nur Rahmen, der den erstarrten Spielgesetzen und der historischen Richtung der
Entstehungsperiode des Werkes zu folgen hatte. Fleute soll auch die Operndekoration »mit*
spielen«, nicht zufällig möglich, sondern aus dem inneren, dem künstlerischen Gehalt heraus*
empfunden, notwendig sein. Und dies zu erreichen, ist wohl die schwerste Aufgabe der
modernen Opernregie. Viel leichter, das Gewand für ein Musikdrama unsrer Zeit, in dem
etwas von unserm eigenen Fühlen und Erleben mitschwingt, für das kein trügendes Vorbild
die eigene Idee beeinflußt, zu finden, als den dekorativen Stil für die Meisteropern der Ver*
gangenheit zu erkennen, ohne in den Kulissenkitsch oder Kulissenzauber des Naturalismus
zu verfallen, ohne der historischen Gebundenheit jener Werke Gewalt anzutun und ohne in
die Nüchternheit der Stilbühne zu flüchten. So wird vor allem ein Teil des Gluckschen
Werkes, so werden Mozarts und Verdis Opern, sollen sie auf modernem Wege zu neuem
Bühnenerleben erstehen, zu den problemreichsten Aufgaben der Operninszenierung, so muß
für die Neugestaltung des Wagnerschen Musikdramas das Losungswort heißen: weg von der
heroischen Landschaft, so wird, kurz gesagt, der Weg der modernen Opernregie ein retro*
spekti ver sein, der, aus neu erkannten Gesetzen für die Inszenierung der modernen Opern*
bühne, sich von da auf die Neugestaltung der Meisterschöpfungen der Oper aller Zeiten
erstreckt. Daß dieser Weg weit, schwer und dornenreich ist, wird jedem ernstlich um die Er*
füllung Bestrebten mehr als klar sein. Die Gefahr, ihn zu verfehlen, liegt weniger in den
durchaus verständlichen Irrtümern, die jeder stilsuchenden Übergangsperiode anhaften,
als in dem versteckten und offenen Widerstand einer das Neue nicht verstehen wollenden,
am Althergebrachten klebenden Generation von Bequemlichkeitsfanatikern, an denen die
Opernbühne immer noch überreich ist. Immerhin: das Neue, das ja auch gut und schön sein
kann, ist auf dem Marsch und wird sich, durch die Kraft seiner künstlerischen Immanenz,
durchsetzen.
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585
und die Romantiker sind bei fast jeder Neuinszenierung daran gescheitert, daß die Los*
lösung von der Tradition, das heißt in diesen Fällen die Überwindung der früheren
dekorativen Einrichtung, die doch, historisch gesehen, nur zufällig, nicht notwendig war,
nicht radikal genug durchgeführt wurde. Früher war das dekorative Gewand mehr oder
weniger nur Rahmen, der den erstarrten Spielgesetzen und der historischen Richtung der
Entstehungsperiode des Werkes zu folgen hatte. Fleute soll auch die Operndekoration »mit*
spielen«, nicht zufällig möglich, sondern aus dem inneren, dem künstlerischen Gehalt heraus*
empfunden, notwendig sein. Und dies zu erreichen, ist wohl die schwerste Aufgabe der
modernen Opernregie. Viel leichter, das Gewand für ein Musikdrama unsrer Zeit, in dem
etwas von unserm eigenen Fühlen und Erleben mitschwingt, für das kein trügendes Vorbild
die eigene Idee beeinflußt, zu finden, als den dekorativen Stil für die Meisteropern der Ver*
gangenheit zu erkennen, ohne in den Kulissenkitsch oder Kulissenzauber des Naturalismus
zu verfallen, ohne der historischen Gebundenheit jener Werke Gewalt anzutun und ohne in
die Nüchternheit der Stilbühne zu flüchten. So wird vor allem ein Teil des Gluckschen
Werkes, so werden Mozarts und Verdis Opern, sollen sie auf modernem Wege zu neuem
Bühnenerleben erstehen, zu den problemreichsten Aufgaben der Operninszenierung, so muß
für die Neugestaltung des Wagnerschen Musikdramas das Losungswort heißen: weg von der
heroischen Landschaft, so wird, kurz gesagt, der Weg der modernen Opernregie ein retro*
spekti ver sein, der, aus neu erkannten Gesetzen für die Inszenierung der modernen Opern*
bühne, sich von da auf die Neugestaltung der Meisterschöpfungen der Oper aller Zeiten
erstreckt. Daß dieser Weg weit, schwer und dornenreich ist, wird jedem ernstlich um die Er*
füllung Bestrebten mehr als klar sein. Die Gefahr, ihn zu verfehlen, liegt weniger in den
durchaus verständlichen Irrtümern, die jeder stilsuchenden Übergangsperiode anhaften,
als in dem versteckten und offenen Widerstand einer das Neue nicht verstehen wollenden,
am Althergebrachten klebenden Generation von Bequemlichkeitsfanatikern, an denen die
Opernbühne immer noch überreich ist. Immerhin: das Neue, das ja auch gut und schön sein
kann, ist auf dem Marsch und wird sich, durch die Kraft seiner künstlerischen Immanenz,
durchsetzen.
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