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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Osthaus, Karl Ernst: Rodin
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0635

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platz, das er gekauft hatte, um es vor dem Niederbruch zu retten. Er war
damit beschäftigt, es als Musee Rodin herzurichten. Denn das letzte große
Ziel seines Lebens war ein Museum, durch das er die Pariser, die ihn immer
enttäuscht hatten, zur Anerkennung seiner Kunst zwingen wollte. Sein Pro?
jekt war kühn. Er hatte Meisterwerke aus allen Epochen, von den Ägyptern
angefangen, erworben, um sie schulmäßig aneinander zu reihen und sein
Werk an das Ende dieser Entwicklungskette zu setzen. Alles lag noch un?
geordnet auf dem Boden umher oder stand in den Winkeln. Er rückte die
besten Sachen ins Licht und schuf sich eine kleine Vorprobe der erträumten
Wirkung, indem er uns — wir waren eine kleine Gesellschaft — zum Schluß
die Photographie einer Maske vorlegte. Sie war von einer unerhörten, trans?
zendenten Schönheit und ich zweifelte einen Augenblick, in welche Zeit sie
gehören mochte. Es war Rodins letztes Werk; er nannte es »Beethoven«.
Nie war ihm tieferes gelungen, und ich gestehe, daß meine Huldigung, die
ich dem Meister vor dieser letzten Schöpfung zollte, nie aufrichtiger war.
Er war gewachsen bis zum letzten Augenblick.
Ich hatte mit diesem Besuch die Absicht einer neuen Erwerbung verknüpft
und meine Wahl war auf die »Kauernde« als ein charakteristisches Werk
seiner Spätzeit, gefallen. Als ich die Beethovenmaske sah, entschloß ich mich
augenblicklich auch über ihre Erwerbung mit dem Meister zu reden. Rodin
nannte für beides einen phantastischen Preis. Er empfand meine Betreten?
heit und entschuldigte seine Preise damit, daß er sehr viel Geld für sein
Museum brauche. Die Angelegenheit blieb zunächst unerledigt. Von Hagen
aus schrieb ich ihm folgenden Brief:
»Nach meiner Rückkehr aus Paris drängt es mich, Ihnen für die großen
Eindrücke zu danken, die ich in Ihrem Atelier erleben durfte. Nie hätte ich
gedacht, daß Ihre Kunst in dieser Weise noch über sich hinauswachsen
könne. Ich bin erschüttert durch die Macht und Schönheit ihrer letzten
Werke. Einen stärkeren Eindruck als von Ihrem Beethovenkopf erinnere
ich mich kaum gehabt zu haben.
Der Wunsch, die Zahl Ihrer Werke im Folkwang durch eine oder zwei
Arbeiten zu vermehren, hat immer bestanden. Aber er ist nach meinem
Besuch in Ihrem Atelier sehr lebhaft geworden. Er wurzelt in dem Gedanken,
daß mein Museum mehr und mehr zum künstlerischen Mittelpunkt für den
Industriebezirk und seine wachsende Menschenzahl geworden ist. Unsere
großen Städte, etwa Köln und Düsseldorf, haben viel zu wenig die Pflicht
begriffen, dieser Millionenbevölkerung eine Vorstellung von Ihrer Kunst
zu geben. Ich möchte daher mein möglichstes tun, um meinerseits diesen
Gedanken zu verwirklichen. Natürlich kann es sich nur um Meisterwerke
handeln, in welchen Ihre Kunst ihren letzten und reinsten Ausdruck ge?
funden hat.

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