Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

DOI Artikel:
Kesser, Hermann: Die Peitsche: erzählende Dichtung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0655

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
frischgefüllten Weinschlauch fest. Xirter erblickte die Sänftenträger, unter*
brach sich und sagte: »Es ist nichts.« Sie schüttelten sofort die Kissen zu*
sammen und schlichen mit der Sänfte hinein. Bald darauf wurden die
Bronzeflügel zurückgerissen. Maro kam in einem Reitgewand über die
Stufen herab, alle Sklaven kugelten hinter ihm her. Xirter und der Gelbe
saßen sofort auf. Gur, der älteste Sklave, nahm dem Hausmeister das ledige
Pferd ab. Es machte den Rücken rund, schlug in Wirbeln wie ein Bock nach
hinten. Maro schritt unbeteiligt auf die Gartenmauer zu. Einmal blieb er
erinnernd stehen, sah nach dem Haus zurück, zu dem Stall aus braunroten
Quadern hinüber, in dem die Hunde winselten, und mit einem Ruck hin*
unter aufs Meer, das sich klatschend unter dem freien Himmel regte. Dann
ging er auf das Pferd zu, fuhr mit einem Strich über den Hals und war
oben. Die Schwarzen warfen sich zum Abschied in den Staub und flehten
ihn fragend an. Er nickte und wies mit der Hand ins Land hinein. Das
hieß: Ihr kommt nach. Sie freuten sich, hopsten auf und begleiteten die
Reiter mit Radschlagen bis zur Wendung der Straße. Der fremde Bursche
blinzelte ihnen zu, trieb sein Pferd vor und setzte es gleich in Galopp. Er
mußte, das sahen die Schwarzen noch, als Führer vorausreiten. Er hielt sich
schlecht, saß mit vorgestrecktem Kopf vornüber. Er ritt spähend neben der
gepflasterten Straße hin, die ohne Biegung, gewaltsam und ungebrochen
über Hügel und Schluchten in die Campagna stürzte, ein Schnitt durch die
Berge. Der Führer lenkte ab; sie setzten seitwärts über Sträucher und schau*
kelten auf dem Rücken der Gäule in die Wildnis hinein.
Sie kamen schnell voran; es wurde heiß. Der Bursche jagte bergauf und
hinunter. Naß und schwarz wurden die Pferde in ihrem Schweiß, selbst von
den Mähnen troff Wasser. Sie hatten schon zehn Straßen überquert, waren
durch Bäche gewatet, hatten sich durch Gehölz gezwängt. Trotzdem schlu*
gen die Tiere im Klettern mit unverbrauchter Kraft ihre Hufe in die Erde,
sie rutschten fast flach bergan. Ihre Bäuche, dampfende Kessel, streiften das
Gras. Ein Ast riß Maros Pferd an der Brust. Dunkles Blut verteilte sich in
den Haaren und floß über die Vorderbeine. Als die Gäule auf der letzten
Höhe gesicherten Boden fühlten, hielten sie zitternd still. Maro sah rote
Tropfen fallen; er sprang über den Hals, riß Blätter aus und rieb die Wunde.
Die anderen stiegen sofort ab.
Der Gelbhaarige lockerte am Sattel den Weinschlauch, goß sich in die hohle
Hand, trank und leckte die blauroten Finger. Mit einem Blick auf die gie*
rigen Grimassen sagte Xirter aufgeregt zu Maro: »Der Kerl führt uns irr,
damit es länger dauert.« Und knirschend: »Ich will ihml« Maro hatte die
Arme voll blutiger Flecken; das Pferd, lose am Riemen, spürte mit blasen*
den Nüstern nach Wasser und steckte das Maul zwischen Geißblätter; er

622
 
Annotationen