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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Kesser, Hermann: Die Peitsche: erzählende Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0665

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und verwachsen über den cäsarischen Logen; kein Gewand flatterte, keine
Lanzenspitze war sichtbar. Gleißend blinkte die Sonne auf ein irrsinniges
Gebirge. Ausgeräumt standen die Hallen: in Lichtgärten strotzten fette
Blumen. Schief und wuchernd preßten sich helle und alte Palastwände,
Tempeldächer und zahllose Alleen mit beinernen Statuen; dazwischen
Treppenfronten mit Stufenecken. Auf Giebelstirnen glühte Mosaik, sinnlos
flimmerten schwungvolle Leiber und Malereien. Und unbegreiflich erhob
sich über Marmor und Grün der letzte Gipfel; der verwegene Turm aus
Ebenholz mit dem Schädeldach aus goldgeflecktem Erz. Er glänzte seidig
und weich und war mit gekreuzten silbernen Stangen verziert. Schlief wirk*
lieh der Cäsar mit seinen Knaben im Turm ? Man suchte, von den Bänken aus,
den veilchenfarbenen Mantel. Unwirklich, ein gespiegelter Traum, starrte
der Palatin in den brandenden Zirkus. Der Zirkus, nicht der Palatin, besaß die
Stadt. Das Volk war eins. Hitziger Schall von den Tribünen war über Hügeln
und Tiefen; er stieß in Schlagwellen durch die Tore; er stürmte die Aventin*
Straßen; er rüttelte an den Massen auf den Dächern. Und er wurde Rausch
und Echo in den Scharen, die mit entrüsteten Armen auf dem Pflaster um
sich griffen. Die Luft war voll von wilden Posaunen. Es traf alle Ohren.
Gur, der Äthiopier, schön, ein schwarzer und nackter Bacchus, rannte ge*
hörlos durch die dichtesten Haufen, schwenkte seinen Botenstab und schob
sich flink durch. Vor Maros Haus brach er mit balligen Schultern durch den
Zaun der Menschen. Er kam mit Nachricht vom Bruder. In der Gasse, die
er riß, hastete Rusas nach, mit Sklaven, die Geldsäcke trugen. Er schien be*
sorgt und zupfte an seinem Bartbusch. Xirter ließ ihn nicht vor. Erst der
Schwarze. Rusas wiegte anmaßend die Achseln. Auf dem Quirinal seien
während der Nacht vor allen Bädern Maros Säulen besudelt worden; auf
die Hermenköpfe in der innern Stadt habe man graue Wolle geklebt; be*
trunkene Prätorianer seien es gewesen. Eine Schmähschrift »Maro, der greise
Zauberer«, in sechs Schreibsälen je dreihundert Sklaven diktiert, würde vor
dem Zirkus verteilt. »Weiß er?« »Er weiß es. Er kümmert sich wenig. Die
Schimmel läßt er den Knechten.« Xirter zuckte mit keiner Wimper. Im
Haus war es still. Fern und verworren brauste die Stadt, Windstöße von
Stimmen schlugen über den rollenden Springbrunnen. Hinter den Vor*
hängen tauchten die Neger mit weißen Augen auf und verschwanden. Auf
dem Herd war kein Feuer. Rusas fragte laut: »Wer ist tot?« Hira, die Ägyp*
terin, hatte sich in der Nacht die Pulsadern durchschnitten. Sie fanden sie
am Morgen in ihrem Gemach, Goldschmuck auf den Busenspitzen, mit
duftenden Haaren, in Linnenschleiern, wie sie Maro am Abend erwartet
hatte. Rusas sagte beruhigt: »Das Weibl« Er wußte, daß sie Maro nur selten
berührt hatte. Xirter ließ sich nicht ein. Er sah herausfordernd an Rusas

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