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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Kesser, Hermann: Theater: Erwähnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0674

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hier die Rede sein soll, kann deshalb nicht sein, daß sie sich in eine ideale
Bühne und in ein Geschäftstheater spalten, von dem hier deutlich nicht die
Rede ist. Sie kann nur, zumal dieses zweiseitige Theater weder radikales
Geschäftstheater noch ideales Theater wäre, durch Übereinkommen zwischen
einer Gesellschaft, die der Bühne bedarf, und den schöpferischen Energien,
die diese Bühne bereiten, bewerkstelligt werden; unter jeweiliger Anpassung
an die örtlichen Bedingungen. Die Zeit der äußerlich uniformen »Betriebe«
geht zu Ende. Die Zeit der Bühne, die entweder als Ereignis, d. h. als Sondern
beispiel mit zyklischen Darbietungen oder als feste Organisation von eigen?
artiger künstlerischer Formung den gegebenen Verhältnissen eines Landes
und einer Stadt entwächst, ist gekommen.
I.
Bei der Teilnahme an der Vorbereitung des eigenen dramatischen Werkes
hatte ich Gelegenheit, mich zu überzeugen: Kein vorwärtsschauender Bühnen?
leiter und Schauspieler, der nicht die Not des Theaters tiefer erfühlte denn
als eine reine Geldnot. Aufgerollt ist die Frage nach der Form von Bühne
und Stil; sie mitzufördern sind entschlossen, die dem Wort auf der Bühne
Körper und Laut geben, als welche einzig und allein die Schauspieler zu
gelten haben. Wer die Bühne meint und haben will, die dramatische Dich?
tung vermittelt, wird immer vom Schauspieler und vom Dramatiker aus?
gehen; vom Schauspieler, der durch die schlechten Folgen der Neunziger
Jahre, in denen die Nachahmung der Wirklichkeit als Grundsatz empfohlen
worden ist, um die Kunst der vergeistigten Darstellung und der großen
Wortfolgen gebracht worden ist; und vom Dramatiker, der vom Betriebs?
theater und von der parteipolitischen oder geschäftlichen Nützlichkeitskritik
um die Wirkung seiner Dramen betrogen wird.
Fs gibt bestimmte Zeitbegriffe, mit denen diese Zustände sich selbst be?
leuchtet haben. So hat das Wort »Ausstattung« die geheime künstlerische
Gesinnung eines bestimmten Zeitabschnittes öffentlicher gemacht, als es
kulturpolitische Untersuchungen zu tun vermochten. — Spricht man von
Ausstattung bei Beethoven, bei Rembrandt, bei den gotischen Domen, bei
Michelangelo? — Aber bei Shakespeare und beim »Faust« — von »Tristan
und Isolde«, »Fidelio« und »Freischütz« zu schweigen — tut man es; hoch?
stens bei »Iphigenie« und »Tasso« ist ein Zögern zu bemerken. Bühnenleiter
sind nicht selten, wie eine ungeschriebene Geschichte vieler Direktionen?
und Intendantenkrisen zeigt, angestellte Märtyrer für die Beziehungen
zwischen Kunst, Betrieb und Gesellschaft. Der Theaterdirektor Goethe ging
ihnen leidend voran. Bühnenleiter wußten, was sie taten, als sie nicht nur
bunte Komödien, die es vertragen, sondern auch Tragödien, Shakespearesche
Königsdramen, Hamlet, Schiller und Goethe in möglichst reizvoller Aus?

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