nicht; moralisch und nicht; hochragend und nicht; im Nebeneinander einer
zerrissenen Zeit.
Ob Menschen, dem Theater fern, die Konflikte derer nachzuempfinden ver?
mögen, die der lebende Körper der Bühne sind? Vermutlich wissen wenige,
daß hochstehende Schauspieler die Zerrissenheit der Zeit im Tiefsten erlebt,
an dem verhetzten Zustand des Theaters und an dem zwiespältigen Abdruck
der Jahre gelitten haben. Wahrscheinlich wissen wenige, wie mächtig in
einem Stand, der sich in vorbildlicher sozialer Kameradschaft emporgerungen
hat, der Drang nach einer letzten und reinen Gestaltung ist; wissen kaum
einige, daß sich Schauspieler entgegen der Ungunst der Zeit an das Tor zu
einer kommenden Epoche gesteigerter Künstlerschaft herangeführt haben.
Ihnen die Stätten zu bereiten, wo sie dichterische Schöpfungen spenden
können, als Wortträger und Bringer der Botschaft, deren eine Menschheit
harrt, ist kulturelles Gebot. Wie sagt der dänische Königssohn von den
Schauspielern? — »Sie sind der Spiegel und die abgekürzte Chronik des
Zeitalters!« — Sie werden folgen, wo sie den Ruf hören. Ich glaube an sie;
ich fühle in ihnen den unverbrauchten bereitwilligen Geiste und Arbeits*
ström. Sie sind Flammen und verlangen nach einer Tuft, in der sie aufi
brennen können. Und ich glaube nach wie vor an die Schaubühne; ich
glaube an Friedrich Schiller, der von der Schaubühne schrieb:
»Die Schaubühne ist die Stiftung, wo sich Vergnügen und Unterricht, Ruhe
mit Anstrengung, Kurzweil mit Bildung gattet, wo keine Kraft der Seele
zum Nachteil der andern gespannt, kein Vergnügen auf Unkosten des Garn
zen genossen wird . . . Jeder einzelne genießt die Entzückungen aller, die
verstärkt und verschönert aus hundert Augen auf ihn zurückfallen, und
seine Brust gibt jetzt nur einer Empfindung Raum — es ist diese: ein
Mensch zu sein.«
648
zerrissenen Zeit.
Ob Menschen, dem Theater fern, die Konflikte derer nachzuempfinden ver?
mögen, die der lebende Körper der Bühne sind? Vermutlich wissen wenige,
daß hochstehende Schauspieler die Zerrissenheit der Zeit im Tiefsten erlebt,
an dem verhetzten Zustand des Theaters und an dem zwiespältigen Abdruck
der Jahre gelitten haben. Wahrscheinlich wissen wenige, wie mächtig in
einem Stand, der sich in vorbildlicher sozialer Kameradschaft emporgerungen
hat, der Drang nach einer letzten und reinen Gestaltung ist; wissen kaum
einige, daß sich Schauspieler entgegen der Ungunst der Zeit an das Tor zu
einer kommenden Epoche gesteigerter Künstlerschaft herangeführt haben.
Ihnen die Stätten zu bereiten, wo sie dichterische Schöpfungen spenden
können, als Wortträger und Bringer der Botschaft, deren eine Menschheit
harrt, ist kulturelles Gebot. Wie sagt der dänische Königssohn von den
Schauspielern? — »Sie sind der Spiegel und die abgekürzte Chronik des
Zeitalters!« — Sie werden folgen, wo sie den Ruf hören. Ich glaube an sie;
ich fühle in ihnen den unverbrauchten bereitwilligen Geiste und Arbeits*
ström. Sie sind Flammen und verlangen nach einer Tuft, in der sie aufi
brennen können. Und ich glaube nach wie vor an die Schaubühne; ich
glaube an Friedrich Schiller, der von der Schaubühne schrieb:
»Die Schaubühne ist die Stiftung, wo sich Vergnügen und Unterricht, Ruhe
mit Anstrengung, Kurzweil mit Bildung gattet, wo keine Kraft der Seele
zum Nachteil der andern gespannt, kein Vergnügen auf Unkosten des Garn
zen genossen wird . . . Jeder einzelne genießt die Entzückungen aller, die
verstärkt und verschönert aus hundert Augen auf ihn zurückfallen, und
seine Brust gibt jetzt nur einer Empfindung Raum — es ist diese: ein
Mensch zu sein.«
648