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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Curjel, Hans: Kunstentwicklung in Karlsruhe: ein Rückblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0744

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absoluter geistiger Höhe führte. Zu den Schü#
lern Schirmers zählen ferner Emil Lugo,
Eugen Bracht, Adolf Stäbli, die, als
Schüler der Karlsruher Kunstentwicklung an#
gehörend, die Tendenzen der Schirmerschen
Kunst weiterverbreiteten. Nach Schirmers Tod
folgte ihm der Norweger G u d e im Amt, wieder
ein Auswärtiger, dem jedoch im Gegensatz zu
Schirmer, der mit den badischen Landstrichen
sich innerlich fest verwurzelte, die Einfühlung
in das Land völlig versagt blieb. Zugleich erhält

Als zweiter Ast ist die Richtung zu nennen, die
mit C. F. Lessing beginnt, und sich vor allem
der figürlichen, kompositionellen und dekora#
tiven Malerei zuwendet. Auf Anregung Schir?
mers wurde Lessing im Jahre 1858 die Leitung
der Kunsthalle übertragen in der Absicht, auf
diese Weise den in Düsseldorf bewährten Land#
schafts# und Historienmaler für das Karlsruher
Kunstleben zu verpflichten. Hier hat Lessing
vor allem seine bedeutendsten und bekannten
Historienbilder geschaffen; die Landschafts#


RHEINTHAL BEI SÄCKINGEN IM FRÜHLING 1899 HANS THOMA

durch Gude die offizielle Landschaftsmalerei an
der Karlsruher Kunstschule einen panoramahaft
theatralischen Einschlag, der erst durch seinen
Nachfolger Schönleber, der in seiner Ent#
wicklung durch die französisch#belgische Frei#
lichtmalerei stark angeregt worden war, wieder
ausgemerzt wurde. Mit der Berufung des Tier#
malers Baisch, dem Zügel und später Weis#
haupt im Fache folgten, gelangten Elemente
der satten und pastosen Münchner Malerei in
Karlsruhe zur Wirkung; der noch heute wir#
kende Julius Bergmann schließlich bezog in
das Tierstück mit besonderer Vorliebe erneut
die Landschaft ein, wodurch die Bildgattung des
Tierstückes wieder in die alte Karlsruher Land#
Schaftstradition einmündet. Mit der Rückkehr
Hans Thomas nach Karlsruhe hatte sich ja auch
dieSchirmerscheTradition von neuem in stärkster
Weise kristallisiert. Diese von Schirmer aus#
gehende Entwicklung ist als der erste Ast in der
Geschichte derKarlsruherMalerei zu bezeichnen.

malerei, die er in seiner Jugend mit großem
Erfolg gepflegt hatte, vernachlässigte er mehr
und mehr. An der Kunstschule stand ihm Des
Coudres in bezug auf die künstlerischen Ten#
denzen nahe. Im Gegensatz zu Schirmer, der
nicht zum wenigsten durch seine einfache, klare
Menschlichkeit rasch Wurzel gefaßt hatte, blieb
Lessing jede innere Bindung versagt; ebenso
wenig vermochte er im Sinne Schirmers schul#
bildend zu wirken. Es entsprach seiner Geistes#
Verfassung, daß er um so stärker das Karlsruher
Kunstleben zu tyrannisieren suchte — äußerlich
scheinbar mit Erfolg, in Wirklichkeit aber ohne
jede nachhaltige Wirkung. Lessings kunstpoli#
tischem und gesellschaftlichem Einfluß ist es vor
allem zuzuschreiben, wenn einer Reihe vonMa#
lern dieses zweiten Astes das Leben in Karlsruhe
versauert oder gar unmöglich gemacht wurde.
Feuerbach fiel als erster den Intriguen Lessings
zum Opfer. Es istwertvoll, gerade heute wieder
sich die Art und Weise des Martyriums Feuer#

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