verehrt. Die Brief*, Buch*, Verlags*, Vereins*
Zeichen, die Zeitungstitel, Ehrenurkunden,
Diplome, Theaterzettel, die Wandtafeln, Kalen*
der, Plakate, Schilder und Wanddekorationen
sind alle nur Stationen des einen Weges, den die
Zeichen*Kunst nehmen muß, um in Linie und
Farbe geprägte Form zu entwickeln. Die Druck*
leitung mannigfaltiger Bücher für die Verlage
Diederichs, Grünewald, Kiepenheuer, Müller,
Seldwyla, Winter erwies, wie auch das Buch ein
Diener des Geistes sein muß, und wie Kunst
überall werden könne, wo gestaltet wird. So sind
denn neben allen diesen Arbeiten freie Kunst*
blätter, Holzschnitte, Steinzeichnungen, Radie*
rungen in gesteigerter Stunde geschaffen wor*
den, Bildnisse, Landschaften, Kompositionen
und Phantasien voll Zucht und Form. Besonders
beachtenswert sind die vortrefflichen Holz*
schnitte nach Aquarellen und Zeichnungen
Dürers und vor allem die köstlichen Holz*
Schnittübersetzungen nach den Altdeutschen in
der Badischen Kunsthalle. Hier wird die
Kunstform altdeutscher Malerei in kräftigem
Schwarzweißschnitt mit leuchtender Handkolo*
rierung lebendig. Die einzelnen Blätter sind
erste Proben einer Holzschneidekunst, die jene
herrlichen Gemälde in Geist und Wesen einer
neuen Kunstsprache umsetzt. Die Geißelung
Christi vom Hausbuchmeister, das Tennen*
bacher Triptychon, die heilige Ursula, Ma*
donna mit Kind, die Madonna und die Füße
Christi aus Grünewalds Tauberbischofsheimer
Altar, alle diese Blätter bilden einen Zyklus,
der eine volkstümliche Verbreitung in weite
Kreise verdient.
Durch Zeitungen (wie Die Pyramide, Die
Quelle, Die Brücke, Die Bauernzeitung, Das
katholische Gemeindeblatt), durch Bücher (wie
Moufang: Die Großherzogliche Majolikamanu*
faktur Karlsruhe, Weinbrenner: Denkwürdig*
keiten, Thoma: Die Alemannenbibel, Eugen
Diederichs: Sonderschreiben an die Freunde der
Graphik über das Werk von Gustav Wolf, Höl*
derlin: Antigone mit Holzschnitten von Wib
heim Gerstel), durch Plakate (wie Badische
Woche 1920, Kunstausstellung Badenweiler
1920, 1921, Radierverein Karlsruhe u.a.) wirkt
heute schon die graphische Werkstätte der badi*
sehen Landeskunstschule in Baden und über
Baden hinaus und weckt vorbildlich den ver*
gessenen Sinn für die graphische Zeichen*Kunst
allenthalben. Auch ist zu hoffen, daß Gebrauchs*
graphik und Wandschmuck in Behörden, Schu*
len und Bürgerhäusern weithin erfreulich zur
Geltung gebracht wird. ProfessorWolf, der leider
aus Gesundheitsrücksichten seine Lehrtätigkeit
verlassen will, um ganz seiner schöpferischen
Arbeit dienen zu können, bleibt Karlsruhe als
Künstler, Anreger und Berater erhalten und
übergibt an Ernst Würtenberger, den trefflichen
Graphiker, ein Erbe reicher Möglichkeiten und
guter Überlieferung. Es kann also auch hier
»fortan nur Glückliches begegnen«.
K. K. Eberlein
KUNSTSCHULREFORM. DiepolitischeUm*
wälzung hat ihren geistigen Niederschlag ge*
funden in den Reformen der Schule, Universi*
täten und Kunstakademien. Der Anfang wurde
gemacht mit mehr oder minder ausführlichen
theoretischen Auseinandersetzungen, an denen
sich erfahrene Künstler — Professoren wie Rie*
merschmid, Bruno Paul, W. Tiemann u. a. -—-
beteiligten. Eine kluge und selbständige Zu*
sammenfassung bietet die Schrift des preußischen
Kunstdezernenten Wilhelm Waetzoldt über
»Kunstschulreform«. Die praktische Aus*
Wirkung begann mit der Umschichtung der
Lehrpläne und neuen Berufungen. Man wird
Preußen zugeben müssen, daß es am raschesten
und fortschrittlichsten an den Umbau seiner
Kunstanstalten ging; daß es sich dabei vor allem
nicht auf Berlin beschränkte, sondern gerade
auch die Akademien der einzelnen Provinzen —
Breslau, Cassel, Königsberg, Düsseldorf — auf*
merksam bedachte. In jenen Berufungen kam
zweierlei zum Ausdruck: prinzipiell der Wille
zur näheren Verknüpfung der verschiedenen
Künste, ja in gewissem Sinne eine Unterordnung
unter die Architektur; individuell die Besetzung
der freigewordenen Lehrstühle mit Künstlern
der sogenannten »fortschrittlichen« Kunstrich*
tung.
In Baden istman frühzeitigundunabhängig von
den preußischen Maßnahmen ähnlicheWege ge*
gangen; langsam, aber voll Bedacht. Man be*
gann in Karlsruhe mit der Zusammenlegung der
Kunstgewerbeschule und der Akademie zu einer
einheitlichen »Landes*Kunstschule«. Man
sollte auf diesem Wege weiterschreiten und die
Gewerbeschulen, wie auch die Baugewerkschule
mit dem Institut verknüpfen, sonst bleibt man
auf halbem Wege stehen und gefährdet die ganze
Arbeit. Gewiß lassen sich diese Maßnahmen
nicht von heute auf morgen durchführen; aber
man kann nicht früh genug an ihre Ausführung
719
Zeichen, die Zeitungstitel, Ehrenurkunden,
Diplome, Theaterzettel, die Wandtafeln, Kalen*
der, Plakate, Schilder und Wanddekorationen
sind alle nur Stationen des einen Weges, den die
Zeichen*Kunst nehmen muß, um in Linie und
Farbe geprägte Form zu entwickeln. Die Druck*
leitung mannigfaltiger Bücher für die Verlage
Diederichs, Grünewald, Kiepenheuer, Müller,
Seldwyla, Winter erwies, wie auch das Buch ein
Diener des Geistes sein muß, und wie Kunst
überall werden könne, wo gestaltet wird. So sind
denn neben allen diesen Arbeiten freie Kunst*
blätter, Holzschnitte, Steinzeichnungen, Radie*
rungen in gesteigerter Stunde geschaffen wor*
den, Bildnisse, Landschaften, Kompositionen
und Phantasien voll Zucht und Form. Besonders
beachtenswert sind die vortrefflichen Holz*
schnitte nach Aquarellen und Zeichnungen
Dürers und vor allem die köstlichen Holz*
Schnittübersetzungen nach den Altdeutschen in
der Badischen Kunsthalle. Hier wird die
Kunstform altdeutscher Malerei in kräftigem
Schwarzweißschnitt mit leuchtender Handkolo*
rierung lebendig. Die einzelnen Blätter sind
erste Proben einer Holzschneidekunst, die jene
herrlichen Gemälde in Geist und Wesen einer
neuen Kunstsprache umsetzt. Die Geißelung
Christi vom Hausbuchmeister, das Tennen*
bacher Triptychon, die heilige Ursula, Ma*
donna mit Kind, die Madonna und die Füße
Christi aus Grünewalds Tauberbischofsheimer
Altar, alle diese Blätter bilden einen Zyklus,
der eine volkstümliche Verbreitung in weite
Kreise verdient.
Durch Zeitungen (wie Die Pyramide, Die
Quelle, Die Brücke, Die Bauernzeitung, Das
katholische Gemeindeblatt), durch Bücher (wie
Moufang: Die Großherzogliche Majolikamanu*
faktur Karlsruhe, Weinbrenner: Denkwürdig*
keiten, Thoma: Die Alemannenbibel, Eugen
Diederichs: Sonderschreiben an die Freunde der
Graphik über das Werk von Gustav Wolf, Höl*
derlin: Antigone mit Holzschnitten von Wib
heim Gerstel), durch Plakate (wie Badische
Woche 1920, Kunstausstellung Badenweiler
1920, 1921, Radierverein Karlsruhe u.a.) wirkt
heute schon die graphische Werkstätte der badi*
sehen Landeskunstschule in Baden und über
Baden hinaus und weckt vorbildlich den ver*
gessenen Sinn für die graphische Zeichen*Kunst
allenthalben. Auch ist zu hoffen, daß Gebrauchs*
graphik und Wandschmuck in Behörden, Schu*
len und Bürgerhäusern weithin erfreulich zur
Geltung gebracht wird. ProfessorWolf, der leider
aus Gesundheitsrücksichten seine Lehrtätigkeit
verlassen will, um ganz seiner schöpferischen
Arbeit dienen zu können, bleibt Karlsruhe als
Künstler, Anreger und Berater erhalten und
übergibt an Ernst Würtenberger, den trefflichen
Graphiker, ein Erbe reicher Möglichkeiten und
guter Überlieferung. Es kann also auch hier
»fortan nur Glückliches begegnen«.
K. K. Eberlein
KUNSTSCHULREFORM. DiepolitischeUm*
wälzung hat ihren geistigen Niederschlag ge*
funden in den Reformen der Schule, Universi*
täten und Kunstakademien. Der Anfang wurde
gemacht mit mehr oder minder ausführlichen
theoretischen Auseinandersetzungen, an denen
sich erfahrene Künstler — Professoren wie Rie*
merschmid, Bruno Paul, W. Tiemann u. a. -—-
beteiligten. Eine kluge und selbständige Zu*
sammenfassung bietet die Schrift des preußischen
Kunstdezernenten Wilhelm Waetzoldt über
»Kunstschulreform«. Die praktische Aus*
Wirkung begann mit der Umschichtung der
Lehrpläne und neuen Berufungen. Man wird
Preußen zugeben müssen, daß es am raschesten
und fortschrittlichsten an den Umbau seiner
Kunstanstalten ging; daß es sich dabei vor allem
nicht auf Berlin beschränkte, sondern gerade
auch die Akademien der einzelnen Provinzen —
Breslau, Cassel, Königsberg, Düsseldorf — auf*
merksam bedachte. In jenen Berufungen kam
zweierlei zum Ausdruck: prinzipiell der Wille
zur näheren Verknüpfung der verschiedenen
Künste, ja in gewissem Sinne eine Unterordnung
unter die Architektur; individuell die Besetzung
der freigewordenen Lehrstühle mit Künstlern
der sogenannten »fortschrittlichen« Kunstrich*
tung.
In Baden istman frühzeitigundunabhängig von
den preußischen Maßnahmen ähnlicheWege ge*
gangen; langsam, aber voll Bedacht. Man be*
gann in Karlsruhe mit der Zusammenlegung der
Kunstgewerbeschule und der Akademie zu einer
einheitlichen »Landes*Kunstschule«. Man
sollte auf diesem Wege weiterschreiten und die
Gewerbeschulen, wie auch die Baugewerkschule
mit dem Institut verknüpfen, sonst bleibt man
auf halbem Wege stehen und gefährdet die ganze
Arbeit. Gewiß lassen sich diese Maßnahmen
nicht von heute auf morgen durchführen; aber
man kann nicht früh genug an ihre Ausführung
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