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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Saekel, Herbert: Ein Jahrbuch christlicher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0250

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Zeitschriften und dann, nach einer lebhaften Auseinandersetzung zwisdien einer dieser Zeitsdhriffen
und der Kölnischen Volkszeitung, audi in diesem Zentralorgan der westdeutschen Katholiken wurden
Stimmen laut, die eine Revision der bisherigen Einstellung gegenüber künstlerischen Dingen für
notwendig erklärten, eine innerlich diristlidie Kunst statt der bisher propagierten äußerlich kirch-
lichen forderten und auch auf mandie einer solchen Forderung entgegenkommenden Strebungen
in der Kunst unserer Tage hinwiesen. In der Tat rücken ihre hohe Wertung der Gesinnung und
ihre Hingabe an das Gefühl weltenumspannenden Menschenbruderfums die junge Kunst einem
entschiedenen und nadi Tatwerdung christlidier Licbesgesinnung strebenden Christentum (es ist
kein Zufall, daß in den gleichen Kreisen, die eine neue diristlidre Kunst fordern, auch der „diristlidie
Sozialismus“ seine eifrigsten Befürworter findet!) sehr nahe, und es stellen auch jene Vertreter
einer Erneuerung der diristlichen Kunst dies Moment mehr in den Vordergrund als die Tatsadie,
daß vielfadi die junge Generation eine besondere Vorliebe für religiöse Motive zeigt. Immerhin
ist dies Dominieren des religiösen Motivs insofern nicht ohne Bedeutung, als in ihm die dualistische
Grundeinstellung der jungen Kunst, ihr Streben nach metaphysischer Überkrönung des sinnlich
Gegebenen seinen sinnfälligen Ausdruck findet, wie es seinen gedanklichen in den Programmworten
„Abstrakt“ und „Unbedingt“ findet. Und hier, im entscheidend Primären, in der Grundlage ist
— wie sehr überzeugend und eindringlidi kürzlich der Referent über Kunstfragen auf dem Würzburger
Katholikentage darlegte — die Übereinstimmung zwisdien diristlicher und „expressionistischer“
Mentalität so evident, daß, trotz allen nicht zu leugnenden Divergenzen im Sekundären, dieser
beiden Glcichstrebigkeit und innere Verwandtsdiaft zu verkennen nicht gut möglich ist. Sehr zu
Recht bezeichnefe jener Redner in Würzburg den Expressionismus als die erste Kunstrichtung
seit der Gotik, von der man eine im tiefsten Sinne diristlidie Kunst erwarten dürfe, und betonte
er, daß, wer gegen die Anerkennung dieser Kunst durch die diristlidie Kirche sidi sträube, not-
wendigerweise audi die Gotik, ihre Schwester im Weitansdiaulichen und in der Formensprache,
verdammen mühte.
Wenn trotzdem die Widerstände gegen die „Expressionisten“ im katholisdien Lager noch keineswegs
überwunden sind, so erklärt sidi das aus einer inneren Notwendigkeit der katholischen Kirche
heraus. Es hat diese Kirdie seit dem Zeitalter der Gotik eine Entwicklung durchgemachf, die
ihr das Dogma und das zähe Festhalten an ihm immer mehr zur Lebensnotwendigkeit werden
lieh und die sdilie^lich dahin führte, daß vielen ihrer Anhänger im Dogma allein ihr Sinn und
ihr Wert sidi zu erschöpfen scheinen. Solchen kann als „dirisflich“ naturgemäß nur eine Kunst
gelten, die sich streng an die Darstellung der kirchlichen Überlieferung hält, deren Formenspradie,
soweit sie über naturalistische Dingdarstellung hinausgreift, an überkommene kultische Bildsymbole
anknüpft. Daß Gesinnung des Künstlers und Geist des Kunstwerkes es selbst bei ausgesprochen
profanem Vorwurf zu einem christlidien stempeln können, bleibt immer ihnen unerfindlidi. So ist
es möglich, daß in einer Betrachtung über „diristlidie Kunst auf der großen Kunstausstellung
Düsseldorf 1920“ in der Zeitschrift des »Vereins für diristlidie Kunst Ver Sacrum« nur soldie
Werke berücksichtigt werden, die ein kultisches Motiv behandeln, daß darin die Zugehörigkeit
von Jaeckels »Die Gekreuzigten« zur christlidien Kunst in Frage gestellt wird, weil das Bild „in
seiner Zusammenfügung von fünf Gekreuzigten von dem allvertrauten Evangelienberidit“ abweidic,
daß eine trocken akademisdie Historiensdiilderei wie Haverkamps »Anbetung der Hirten« mit
Anerkennung bedacht wird — daß aber an Lehmbruck, Marc, Milly Steger der Kritiker vorbeigeht,
ohne audi im geringsten nur ihrer Werke hymnische Religiosität wahrzunehmen. Lind daß in einer
Aufsaßreihe über den „Expressionismus“ der Herausgeber dieser Zeitsdirift für „diristlidie“ Kunst
sagt, es könne der Expressionismus „in einem erfreulicheren und verheißungsvolleren Lidite“ ihm
nur erscheinen, wenn „seine Vertreter die nun einmal nidit wegzuleugnenden und bewährten Geseße

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