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Entwicklungsmechauik.
der Auscopier-Processe zu berücksichtigen sind1) — mögen
dabei eine wesentliche Polle spielen.
Bekanntlich lässt man bei der Herstellung der Brom-
silbergelatine-Emulsion eine grössere Anzahl von Bromsilber-
molecülen zu einem grösseren Complex zusammentreten (Reifen).
In der fertigen Trockenplatte ist also mehr oder weniger
körniges Bromsilber enthalten.
Bei der Belichtung werden diese Complexe einseitig zer-
setzt. Auf der Seite, welche dem Lichte zugewandt war, finden
wir bromärmere Molecüle, vielleicht das Bromür. In der Mitte
und an den anderen Theilen des Complexes dagegen unver-
ändertes Bromsilber. Das wirksame Licht konnte nicht bis
hierher dringen.2)
Molecüle von Bromsilber und Silberbromür sind hier also
sehr eng an einander gelagert. Solch ein Complex bildet ge-
wissermassen ein chemisches Individuum und wird sich ganz
anders verhalten, wie ein loses Gemisch. (Auf die Reize der
Aussenwelt wird es ähnlich reagiren, wie die lebende Zelle,
die ja auch nur ein Complex von Molecülen ist.) Solche
Structur mag auch die Eigentbümlichkeiten der Lea’sehen
Photosälze bedingen.3)
Vielleicht spielen galvanische Processe in diesen Complexen
bei der Belichtung eine Rolle.
Jedoch ist die Annahme dieser nicht durchaus nothwendig.
Eine rein chemische Theorie vermag uns die fermentartige
Fortpflanzung der Reduction von den belichteten zu den un-
belichteten Bromsilber-Molecülen im Entwickler ebenfalls klar
zu machen.4)
Der alkalische Entwickler wirkt nämlich folgendermassen
auf den Complex, den wir durch die Formel
Ag2 Br — Ag Br — Ag Br
symbolisiren:
Dem ersten, aus Silberbromür bestehenden Molecül wird
das Brom entzogen und zwei Atome Silber werden frei.
1) „"Die Anatomie der photograph. Schichten.“ Phot. Archiv 1894,.
pag. 9
2) Dieser Umstand erschwert u. A auch die Analyse des vom Dichte
aus Chlorsilber gebildeten Productes und dadurch auch die Lösung des
Problems, ob üxydulsalze des Silbers bestünden: Auch bei lange fort-
gesetzter Belichtung von fein (in bewegtem Wasser) verthoiltem Chlor-
silber bleibt im Innern der Complexe zurück.
3) Phot. Archiv 1893, pag. 85.
4) „Fermentartig“ nenne ich z. B. auch die Verbrennung, weil hier
die einmal begonnene Oxydation die Wärme schafft, welche für die
Oxydation der benachbarten Theile nöthig ist.
Entwicklungsmechauik.
der Auscopier-Processe zu berücksichtigen sind1) — mögen
dabei eine wesentliche Polle spielen.
Bekanntlich lässt man bei der Herstellung der Brom-
silbergelatine-Emulsion eine grössere Anzahl von Bromsilber-
molecülen zu einem grösseren Complex zusammentreten (Reifen).
In der fertigen Trockenplatte ist also mehr oder weniger
körniges Bromsilber enthalten.
Bei der Belichtung werden diese Complexe einseitig zer-
setzt. Auf der Seite, welche dem Lichte zugewandt war, finden
wir bromärmere Molecüle, vielleicht das Bromür. In der Mitte
und an den anderen Theilen des Complexes dagegen unver-
ändertes Bromsilber. Das wirksame Licht konnte nicht bis
hierher dringen.2)
Molecüle von Bromsilber und Silberbromür sind hier also
sehr eng an einander gelagert. Solch ein Complex bildet ge-
wissermassen ein chemisches Individuum und wird sich ganz
anders verhalten, wie ein loses Gemisch. (Auf die Reize der
Aussenwelt wird es ähnlich reagiren, wie die lebende Zelle,
die ja auch nur ein Complex von Molecülen ist.) Solche
Structur mag auch die Eigentbümlichkeiten der Lea’sehen
Photosälze bedingen.3)
Vielleicht spielen galvanische Processe in diesen Complexen
bei der Belichtung eine Rolle.
Jedoch ist die Annahme dieser nicht durchaus nothwendig.
Eine rein chemische Theorie vermag uns die fermentartige
Fortpflanzung der Reduction von den belichteten zu den un-
belichteten Bromsilber-Molecülen im Entwickler ebenfalls klar
zu machen.4)
Der alkalische Entwickler wirkt nämlich folgendermassen
auf den Complex, den wir durch die Formel
Ag2 Br — Ag Br — Ag Br
symbolisiren:
Dem ersten, aus Silberbromür bestehenden Molecül wird
das Brom entzogen und zwei Atome Silber werden frei.
1) „"Die Anatomie der photograph. Schichten.“ Phot. Archiv 1894,.
pag. 9
2) Dieser Umstand erschwert u. A auch die Analyse des vom Dichte
aus Chlorsilber gebildeten Productes und dadurch auch die Lösung des
Problems, ob üxydulsalze des Silbers bestünden: Auch bei lange fort-
gesetzter Belichtung von fein (in bewegtem Wasser) verthoiltem Chlor-
silber bleibt im Innern der Complexe zurück.
3) Phot. Archiv 1893, pag. 85.
4) „Fermentartig“ nenne ich z. B. auch die Verbrennung, weil hier
die einmal begonnene Oxydation die Wärme schafft, welche für die
Oxydation der benachbarten Theile nöthig ist.