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Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 9.1895

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Einsle, Anton: Ueber Glassterroskope
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https://doi.org/10.11588/diglit.50998#0073

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Ueber Glasstereoskopen.

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Ueber Glasstereoskopcn.
Von Anton Einsle in Wien.
Der grossen Verbreitung photographischer Kunst in Ama-
teurkreisen und der damit zusammenhängenden Gründung von
Clubs und Vereinigungen verdanken wir es, dass ein bislang
wenig bebautes Feld wieder nach und nach zu seiner ihm ge-
bührenden Bedeutung gelangt. Ich meine die Stereoskopie.
Es sind bereits einzelne Amateure, welche fast ausschliesslich
Stereoskopen fertigen, und das nicht mit Unrecht.
Betrachten wir photographische Bilder, mögen es nun
Landschaften, Genres, Portraits u. s. w. sein, mögen sie noch
so künstlerisch aufgefasst und noch so genial copirt sein (wie
z. B. das schwefelgelbe Portrait der Madame Peters in der
Pariser photographischen Kunstausstellung), so haben wir doch
nur Bilder vor uns, welche der Natur so wenig als möglich
gleichen. Ich will absehen davon, dass die Aufgabe der bilden-
den Kunst einzig und allein die Wiedergabe der Natur ist. Ver-
folgen wir die Geschichte der Entstehung und Ausbildung der-
selben, so finden wir den Fortschritt ihrer Ausbildung erst mit
dem Momente, wo die Naturanschauung an Stelle des Kunst-
canons tritt, der gewisse Regeln der Darstellung dictirt und aus
sich selbst zu schöpfen sich bemüht. Und mag die Auffassung
eines Fra Angelo da Fiesoie noch so keusch und rein ein
weibliches Heiligenbild entstehen lassen, eine Raphael’sche
nackte Psyche wird dem ärgsten Tartüffe keinen Grund zur
Entrüstung geben, obwohl Raphael ein nacktes Weib vor
sich hatte, Fra Angelo aber nach seiner keuschen Vorstellung
malte. Wenn ich also von diesem ersten Grundprincipe wahrer
Kunst absehe, so wird ein photographisches Bild nie im Stande
sein, die Natur so wahr und getreu meinem Auge vorzuführen,
wie eine stereoskopische Aufnahme.
Dies wurde schon vor Decennien erkannt; damals war die
stereoskopische Aufnahme in aller Welt Besitz. Nach und nach
vergass man undankbarerweise diese Art der Darstellung. Nun
aber wird das Stereoskop seine alte Stellung wieder einnehmen,
ja ich bin überzeugt, es wird eine Verbreitung erfahren, wie
nie zuvor. Dies letztere wird dem Stereoskop-Diapositive zu
danken sein.
Es ist geradezu unglaublich und kann durch einfache Ver-
gleiche leicht constatirt werden, wie anders dieselbe Aufnahme
als opake Photographie und als durchscheinendes Glasbild
wirkt. Man sieht bei letzterem Details, welche man selbst in
der Wirklichkeit übersieht.
 
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