Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik (9.1895)

Fortschritte auf dem Gebiete der Mikrophotographie.

213

Im status nascendi mag sieh nun ein Atom Silber mit
dem benachbarten Molecül Bromsilber zu einem Molecül Silber-
bromür verbinden. Wir hätten dann die moleculare Verbindung:
Aty — Ag.2Br - AgBr.
Auf das eben gebildete Molecül Ag^Br wirkt der Ent-
wickler in der gleichen Weise weiter reducirend:
Ag — Ag — Ä<72 Br
u. s. w., bis zuletzt der ganze Complex in metallisches Silber
verwandelt ist.
Je grösser der Bromsilbercomplex ursprünglich war, desto
weiter kann sich die fermentartige Reduction im Entwickler
fortsetzen. Dadurch wird es verständlich, weshalb die stark
gereifte (grobkörnige) Emulsion scheinbar lichtempfindlicher
ist, als die wenig gereifte.’)
Einige Berechnungen, welche Kogelmann in seiner
Schrift „Die Isolirung der Substanz des latenten photographi-
schen Bildes“ veröffentlicht hat, passen genau zu der oben
entwickelten Theorie.1 2)
Trotzdem möchte ich dieselbe nur als Arbeitshypothese
betrachtet wissen, da ich von jedem geschlossenen System eine
hemmende Wirkung auf die Wissenschaft befürchte. Nur davor
möchte ich gewarnt haben, dass man von der Chemie allein
eine Lösung der photographischen Probleme erwartet. Wie
bei der Erklärung der Vorgänge in den lebenden Organismen
muss auch hier die Chemie und Physik unbedingt gemeinsam
vorgehen.
Fortschritte auf dem Gebiete der Mikrophotographie.
Von Gottlieb Marktanner-Turneretscher in Graz.
A. Köhler3) erörtert in einem sehr lesenswerthen Artikel
in äusserst eingehender Weise die Methoden, welche man der-
zeit anwendet, um das mikroskopische Object zum Behufe der
mikrophotographischen Aufnahme zu beleuchten, und geht hier-
bei von der Besprechung der Methoden aus, die man für Pro-
jectionszwecke im Allgemeinen anwendet. Hierbei sind haupt-
sächlich zwei Gruppen zu unterscheiden; bei der ersten fallen
die bei dem Abbildungsvorgang entstehenden Bilder der Licht-

1) „Photographische Chemie“, pag 84.
2) Photogr. Archiv 1894, pag. 306.
3) A. Köhler, Ein neues Beleuchtungsverfahren für mikrophoto-
graphische Zwecke. Zeitschr. f. wiss. Mikr., Bd. X, pag. 433, 1893; refr.
im Journ. Boy. Micr. Soc. 1894, pag. 2G1.