Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik (17.1903)

Der Stereokomparator u. s. w. I25
Diese Vorteile bietet der Stereokomparator, ich möchte
sagen, nur nebenbei; von noch viel größerer Wichtigkeit ist er
aber dort, wo das zu untersuchende Plattenpaar Bild-
verschiedenheiten aufweist, die entweder durch Parallaxe,
durch Eigenbewegung oder aus irgend einem ähnlichen
Grunde hervorgerufen werden. In dieser Hinsicht wird sich
das neue Instrument besonders zum mühelosen Aufsuchen
von Planetoiden oder Kometen eignen, da diese Himmels-
körper bei ihrem relativ geringen Abstand von der Erde in-
folge der Bewegung der letzteren in ihrer Bahn und infolge
der ihnen zukommenden bedeutenden scheinbaren Eigen-
bewegung auf beiden Platten schon nach sehr kurzen Zeit-
räumen parallaktisch verschoben erscheinen und sich im Bereich
des stereoskopischen Sehvermögens befinden müssen. Dies-
bezügliche Versuche, welche Prof. M. Wolf in Heidelberg an
Saturn ausführte, haben diese Annahmen bestätigt. Mit Hilfe
des Stereokomparators wird es auch möglich sein, die Höhe
von Mondgebirgen, ohne Rücksicht auf deren Schattenwurf,
zu ermitteln und überhaupt eine genaue Darstellung des
Reliefs der Mondoberfläche zu gewinnen. Wenn wir nun die
Basis noch weiter vergrößern und dadurch die Grenze unseres
Tiefen Wahrnehmungsvermögens in immer entlegenere Regionen
des Weltalls hinausrücken, wird sich dieses Verfahren auch zum
Auffinden und Messen von Fixsternparallaxen eignen und
damit zu sehr wichtigen Aufschlüssen über die räumliche Ver-
teilung der Fixsterne führen. Mit gleichem Vorteil wird es
sich auch auf das Studium der Nebelmassen, deren besonders
in der letzten Zeit eine außerordentlich große Anzahl entdeckt
worden sind, anwenden lassen. Rechnen wir noch dazu, daß
der Stereokomparator auch die Möglichkeit bietet, die Höhe
von Sternschnuppenflugbahnen schon unter Zugrundelegung
einer Basis von wenigen hundert Metern mit großer Genauig-
keit zu ermitteln, so haben wir jene Gebiete der Astronomie
gestreift, in denen der Stereokomparator nicht nur ein vor-
zügliches Hilfsmittel ab gibt, sondern geradezu berufen ist,
eine Umwälzung in dem bisherigen Meßverfahren herbei-
zuführen.
Wie in der Astronomie, so ist der Stereokomparator auch
auf anderen Gebieten der Meßkunst von hoher Bedeutung.
Mit seiner Hilfe ist es möglich, schnell und sicher Teilungs-
fehler zu ermitteln und Linienverschiebungen oder andere
Ungleichheiten in Spektren nachzuweisen. In gleicher Weise
wird sich der neue Apparat auch für kartographische Arbeiten
eignen und die Photogrammetrie in ganz andere Bahnen
lenken. Geradezu unersetzlich ist der Stereokomparator aber