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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Buß, Georg: Berliner Gobelins, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0054

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Preis ^vierteljährlich für Deutschland Mk. 5.—, für

Sämmtliche mit * versehenen Illustrationen stehen unseren Lesern zur verwerthung frei.

ZM-- Die Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten. -WS
Illustrationen und textliche Beiträge nur an die Schristleitung in Darmstadt erbeten.

Anfangs jeden Monats erschein! ein Heft.j

Nur Sonder-Heste sind einzeln ä. Mk. 2.— erhältlich.

Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt» Leipzig.
Insertions» Bedingungen am Schluß der Zeitschrift.

VI. Iahrg. 1895.

-U Leipzig Darmstadt ^ Wien. M-

März-Heft.


erliner

obettns.

den vornehnisten Erzeugnissen
der französischen Kunstindustrie
sind die farbenprächtigen Gobelins
zu rechnen, die in der Staatsmanu-
saktur zu Paris hergestellt werden.
Der Name „Gobelin" weckt sofort
die Erinnerung an die glänzende
Vergangenheit des französischen
Kunstgewerbes, das seit den Tagen
des Mittelalters in fortschreitender
Entwickelung geblieben und stets der
bevorzugte Liebling der occidentalen
Welt gewesen ist. In der Geschichte
der Manufaktur der Gobelins gibt
sich zur Genüge eine der wesent-
lichsten Triebkräfte für die hohe
Leistungsfähigkeit von Kunst und
Handwerk in Frankreich zu erkennen:
die rege Fürsorge der Krone und
in neuerer Zeit des Staates.
Nicht in einfachen Verwaltungs-
maßregeln und in zollpolitischen
Maßnahmen hat sich diese Für-
sorge mit Vorliebe geäußert,
sondern in den spenden bedeu-
tender finanzieller Mittel für Herstellung
tüchtiger Arbeiten und neuerdings auch
für Hebung des kunstgewerblichen Unterrichts.

von Georg Buß.

Mehr als bei uns hat der Grundsatz gegolten, daß die Leistungs-
fähigkeit eines Kunstgewerbes wesentlich von den Aufträgen
abhängt: je mehr werthvolle Aufträge, um so mehr Lust und
Liebe zum Schaffen! Mas nützen alle Reden, alle Schriften,
alle Rathschläge, alle Museen, wenn die Hand des Kunstgewerbe-
treibenden feiern muß, wenn dem vom besten Willen beseelten
Manne nicht die Gelegenheit zur Aeußerung seines handwerklichen
und künstlerischen Könnens geboten wird, und er nicht wenigstens
zeitweise den materiellen Sorgen enthoben bleibt. Nicht nur
die Soldaten haben einen Magen, sondern auch die Vertreter
des Kunstgewerbes!

In ihrer gegenwärtigen Organisation legt die Manufaktur
der Gobelins nicht minder wie in früheren Tagen Beweis für
die Werthschätzung ab^ die ihr der französische Staat als einem
der edelsten Zweige des Kunstgewerbes, dieses belebenden Elementes
des Volkswohlstandes, widmet. Feste Gehälter sind seit s?90
eingeführt — jeder Geselle hat fein bestimmtes Jahreseinkommen
und außerdem freie Wohnung und einen kleinen Garten in der
Anstalt. Zur Zeit erhält ein Lehrling, der sich einige Kenntnisse
in der Zeichen- und Webeschule angeeignet hat, einen jährlichen
Gehalt von c>00—s 500 Frcs., ein Geselle s600—3200 Frcs., ein
Werkführer 3500—HOOO Frcs. und ein Meister HOOO—5000 Frcs.
Und welche Gegenleistung bietet für Wohnung, Garten und
3200 Frcs. Gehalt der Geselle? Nun, jährlich nur 0,8H Quadrat-
meter Gewebe in schwieriger Ausführung oder s,5—2 Quadrat-
meter Gewebe in vereinfachter Ausführung. An einem Gobelin
mit schwerem Muster arbeitet er täglich, bei sechsstündiger Arbeits-
zeit im Winter und achtstündiger im Sommer, nur 28 ^uadrat-
centimeter. Das ergibt während 300 Arbeitstage die bereits
erwähnten 0,8H Quadratmeter. Dem Staate kostet also ein
Quadratmeter Gobelin allein an baarem Lohn 2000 Frcs. Au
 
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