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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Hagen, L.: Die Entwicklungsgeschichte der modernen Geschmacksbildung
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Lobe, P. J. C.: Englische Theetische
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0102

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Seite 72.

April-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

und seine lüderlichen Nachahmungen das Straßenbild verunstalten.*) Diese
Besserung des Farbensinnes ist entschieden dem wohithätigen Einfluß der
Fachpresse und der Kunstkritik zuzuschreiben. (Ohne eine Unterstützung seitens
der Schule und gegenseitiges Hand in Handarbeiten der Fachschulen und der
wissenschaftlichen Bildungsstätten wird aber ein dauernder und schneller Fort-
schritt nicht erzielt werden. Das Interesse der Nationalökonomie am Wachsen
des allgemeinen Kunstgeschmacks ist zu wesentlich, als daß die Schule länger
ihre Aufgabe in dieser Richtung verkennen dürfte. Es ist durchaus keine
Erweiterung des Lehrplanes hierzu erforderlich. Nur eine vollwerthige

Abbildung Nummer 88. ThirrliäNd, im Kuppelraum der Wandelhalle.

Behandlung des Zeichen- und Handarbeitsunterrichts wäre nöthig. Einst-
weilen ist mechanisch-technisches Können in beiden Disziplinen den Schulen
Hauptzweck. Ls bedarf nur einer geringen Vertiefung, einer zielbewußten
Anwendung der gegebenen Mittel, um statt des bloßen Könnens ein bewußtes
künstlerisches Sehen herauszubilden, welches nicht nur das absolute In-sich>
Abgeschlossene zu erkennen sucht, sondern auch das relative durch seine Be-
ziehungen zum Ganzen gewordene Schöne anerkennt.

Die Einzelheiten eines solchen Unterrichtes sind nicht Sache der „Innen-
Dekoration", wohl aber hat sie ein sehr berechtigtes Interesse an der Durch-
führung dieses Gedankens. Möge allen denen, die von dieser Anregung
eine neue Ueberbürdung von Schülern und Lehrern fürchten, die Nittheilung
genügen, daß keine einzige Schulstunde ..mehr" hierzu nöthig ist, nur eine
kleine Aenderung der Methode. Hoffentlich wird dieser Hinweis helfen, der
Sache einige Freunde zu werben!

Unglische Mheetische.

von p. I. L. Lobe.

chsivs-o'oloolr-Thee ist der Mittelpunkt des täglichen, gesellschaftlichen
Lebens im englischen lÜKtz-lits. Zu dieser Stunde empfängt die
Dame des Hauses ihre Freundinnen und Freunde und naturgemäß konzentrirt
sich die Gesellschaft um den silbergeschmückten Theetisch am Kamin des
luäy-roora. Aber nicht eine steife, deutsche Kaffeegesellschaft ist es. die da
in wohlgeordneter Reihe um einen respektabel aussehenden Tisch sitzt: in
zwanglosen Gruppen, das winzige Theetäßchen in der Hand, unterhalten sich
die Herren über Sport. Politik und Kunst, während die Damen, die Herrin vom
Hause in den Geboten der Gastfreundschaft unterstützend, die Honneurs machen.

Unsere gute Gesellschaft, die durch ihren wechselnden Aufenthalt im
Ausland in ihren Gebräuchen international geworden ist. hat diese hübsche,
englische Sitte angenommen und es gehört auch bei uns jetzt in den besseren
Kreisen als unerläßlich zum guten Ton. seinen vivs-o'oloolr-Thee nach eng-
lischer Sitte zu haben. Dem feinen Dekoratör, der auf der Höhe der Zeit
steht, gilt es heute bei der Ausmöblirung eines eleganten Damenzimmers
als^ein Gebot der Nothwendigkeit, darauf Bedacht zu nehmen, wenn nicht
ein Kamin selbst im Zimmer ist, wenigstens eine Ecke des letzteren, durch
speziell den Zweck erkennen lassende Möbel, für die Gebote des l?ivs-o'o1oolr-
Thees einzurichten. Ein leichtes Damensofa, einige kleine Fantasie- oder
Kaminstühle, eine elegante Wand-Dekoration in chinesischer Seide und japa-
nischen Dekorationsgegenständen und vor allen Dingen ein geschmackvoller
Theetisch geben der Ecke einen Ausdruck von Behaglichkeit, wie sich ihn Jeder
in seiner Häuslichkeit wünscht und ungern entbehrt. Die englischen Möbel-
fabrikanten und Dekoratöre haben denn auch, da das Theetrinken so wie so
eine spezifisch englische Sitte ist. von je einen großen Werth darauf gelegt,
passende Gebrauchsmöbel dazu zu entwerfen und speziell ist es der Theetisch.
der in unzähligen Variationen auf den Markt gebracht worden ist.

Der einfachste und ursprünglichste ist wohl unzweifelhaft der gewöhnliche
Klapptisch, der. kaum die Höhe eines unserer Beisatztischchen erreichend, seine
durch Ausstellfüße getragenen Klappen eine Fläche von ein viertel- bis ein
Drittel-(Quadratmeter bilden läßt. Herabgeklappt gestatten sie aber auch
wieder den Tisch, der nun einen äußerst geringen Raum einnimmt, in irgend
eine Ecke des Zimmers zu stellen. (Oftmals, besonders dann, wenn es sich
darum handelt, Raum für ein größeres Service zu schaffen, tritt dieser Typus

*) Ich hörte kürzlich die Ansicht aussprechen, Sandstein passe als Baumaterial nur in die
Landschaft, wo er gebrochen wird, z. B. Dresden. Der landschaftliche Aarakter der Mark erheische
Ziegel mit farbig gebrannter Thonverzierung.

auch als Etagsrentisch mit zwei übereinander liegenden Klappblättern auf,
doch kann man ihm in diesem Falle noch weniger als im ersten die Bezeichnung
eines eleganten Tisches gebe». Das Einzige, wodurch man diesen Tischen
ein gefälligeres Aussehen zu geben versucht hat. besteht darin, daß man die
Blätter durch Gravirungen und gestochene Friese, durch Intarsien oder ein-
gelegte Adern von Hellem Holz oder Bein, zu verschönern suchte. Eine andere
Variation entstand, indem man ein Servirbrett einfach auf ein Gestell von
vier, auch sechs Füßen befestigte, es also nicht, wie z. B. bei unseren billigen
Servirtischen oder stummen Dienern, abnehmbar machte. Diese Konstruktion
ist an sich so widersinnig, daß man sie, trotzdem sie echt englisch ist, kaum
einem sonst seine Möbel mit soviel Ueberlegung durcharbeitenden englischen
Fabrikanten Zutrauen möchte: man denke sich nur einen Domestiken, der, um
Thee herumzureichen, gleich den ganzen Tisch dabei im Zimmer herumschleppt.

Aber auch dieser Tisch erlangte eine Verbesserung insofern, als man ihn
zu einem Doppel-Ltagsrentisch mit losem Servirbrett. dessen Boden aus einer
dicken Glasplatte mit Holzfassung besteht, ausbildete. Diese Form hat sich
denn auch einer steigenden Beliebtheit sowohl in England, als auch bei uns
in Deutschland zu rühmen, deren Popularität in neuerer Zeit nur durch den
von ersten englischen Magazinen eingesührten sogenannten llorus^-Thee-
tisch etwas Einbuße erlitten hat. Auch dieser besitzt die abnehmbare Servir-
platte mit Glasboden, aber der elegante Aufbau und die feinere Form haben
ihm schnell die Sympathie des Publikums erworben; er besitzt zwar nur die
Hälfte des Flächenraumes der oben beschriebenen Theetische, doch das äußerst
dekorative Aeußere macht ihn zum Lieblingsstück im Salon.

Alle diese Tische sind für den bestimmten Zweck erdacht und ausgeführt,
als Theetisch zu dienen, für einen anderen Zweck sind sie kaum verwendbar.
Aber sie setzen zugleich etwas voraus, was wir Deutsche nach unseren Grund-
sätzen nie recht billigen können: das Theeservice und die Silberstücke müssen,
wenn man sie nicht etwa im Büffet oder Silberschrank unterbringen und nur,
was wiederum umständlich ist. bei jedem Gebrauch hervorholen will, offen,
ungeschützt und unbedeckt zur Ansicht stehen. Man kann dies weder vom
hygienischen noch ästhetischen Standpunkte für gut befinden, und in keinem
wirklich feinen Interieur wird man solche (Objekte wie in einem Magazin
zur Schau stellen und dem verstauben aussetzen wollen.

Um so interessanter ist es. daß es unserer deutschen Industrie Vorbe-
halten blieb, die doch gerade hier in ihrem Element schwimmenden Engländer
zu übertreffen und einen Tisch zu konstruiren, der alle diese beregten Mängel
nicht nur allein beseitigt, sondern auch in der Zeit, wo er nicht als Theetisch
oder dergleichen benutzt wird, durch sein nichts den Zweck verrathendes
Aeußere, Verwendung als Sofa- oder Salontisch finden kann.

Dieser gesetzlich geschützte Tisch besitzt auf jeder der beiden Stirnseiten
einen auf Federn gehenden, staubdicht schließenden Kasten, dessen vordertheil
und Deckbrett klappbar eingerichtet sind und geöffnet eine horizontale, tisch-
artige Fläche bilden. Die Seiten des Kastens lassen sich bis zur Hälfte ihrer
Länge ebenfalls, seitwärts, öffnen, sodaß sie den Gebrauch der obigen Fläche

Abbildung Nr. 89. Thürband mik Kartus'chr, in der Wandelhalle.

nicht hindern. Der Kasten selbst ist innen mit Wildleder ausgeschlagen und
mit Spangen versehen, die zur Aufnahme der Theelöffel und Zuckerzange
dienen, während man im Fond sowohl die kleine Theemaschine mit dem
Spiritusbrenner, die Sahnenkanne und Zuckerschale wie auch Tassen und
Theebrett leicht und hequem unterbringen kann. Das Blatt des Tisches liegt
lose und läßt sich doppelseitig benützen. Eigens hierfür entworfene, umzu-
legende Griffe ermöglichen die Platte umgekehrt sofort als Servirbrett zu
verwenden und zwei unterhalb der Längszargen angebrachte Schieber geben
hinreichend Raum znm Absetzen von Tassen und anderem Geschirr. Zu-
sammengeschoben zeigt der Tisch nicht die geringste Andeutung an seinen
Zweck, ist aber mit einem Paar Handgriffen wieder ohne Schwierigkeiten
zum Gebrauch fertig, wir glauben sicher, daß der Tisch, sobald man ihn
einführt, den englischen Mustern gleichen Genres eine harte Konkurrenz, sich
selbst aber allseitig Liebhaber und Abnehmer schaffen wird. —
 
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