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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 1
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Gehrig, Oskar: Ernst Barlachs "Geistkämpfer" an der Universitätskirche zu Kiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0050

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ERNST BARLACHS „GEISTKAMPFER"
AN DER UNIVERSITÄTSKIRCHE ZU KIEL

VON

OSCAR GEHRIG

Tarnst Barlach, dessen Gefallenenmal im Güstro-
' wer Dom an dieser Stelle bereits veröffentlicht
worden ist (Juniheft 1927), hat ein neues Denk-
mal größeren Stils, und zwar wiederum in Bronze,
geschaffen, den sogenannten „Geistkämpfer" vor
der Kieler Universitätskirche, der Kirche zum
Heiligen Geist. Kiel kann sich rühmen, nunmehr
ein zweites Monument von der Hand des gebür-
tigen Schleswig-Holsteiners Barlach zu besitzen,
neben jener 1921 entstandenen, holzgeschnitzten
Tafel in der St. Nikolaikirche, die das Motiv
der schwerterumringten „Mater dolorosa" in so
ergreifender Weise abwandelt, graphisch vorgebil-
det in Barlachs Steinzeichnung aus der Kriegszeit
„Dona nobis pacem" (vgl. Hartlaub, „Kunst und
Religion", Tafel 46). Wir wissen ferner, daß der
Künstler neuerdings im Staatsauftrag für eine Ka-
pelle des Magdeburger Domes ein Denkmal des
Kriegs in Arbeit hat, das bei seiner Unmittelbar-
keit des Gedankens und der Form wohl ganz
anders als das in sich ruhende Güstrower oder
das statuarische Kieler Monument einmal die Ge-
müter zu bewegen geeignet sein wird.

Der „Geistkämpfer" in Kiel, der vor zwei eine
Nische bildenden Strebepfeilern der Kirche Wache
hält, hat bald nach der im Dezember 1928 er-
folgten Aufstellung und ganz spontan seinen ein-
prägsamen Namen erhalten. Dies spricht immerhin
dafür, daß das Denkmal schon in das Bewußtsein
breiterer Kreise einzudringen vermochte, obwohl
es wie vordem auch das Güstrower trotz seiner
in nichts herausfordernden, aber unkonventionellen
Art in den Parteienkampf hineingezogen, ja schon
einmal durch Zerbrechen der zum Himmel ragen-
den Schwertspitze beschädigt wurde.

Barlachs neues Monument will in dreifacher
Hinsicht betrachtet sein; städtebaulich, formal und
nach seinem geistigen Gehalt. Bei seiner Gesamt-
höhe von fünfeinhalb Metern steht es zwar etwas
abseits, still vor einer Ecke seiner Kirche fast wie
auf einer Insel, aber dann doch auch nahe dem
Markte, dem Stadtzentrum, hinüberblickend auf

einen Brennpunkt städtischen Verkehrs. So schafft
es eine optische und reale Verbindung zum Leben
hin und tritt zugleich aus seinem „sakralen" Be-
zirk hinaus, um durch seine starken Formen einer
— uns nur zu bekannten, durch die Flut konven-
tioneller Denkmäler verwässerten — Idee einmal
wieder nachdrücklich zu dienen. Die in ähnlichen
Fällen oft betonte Abseitigkeit mag, wenn nicht
Flucht aus dem Leben, wohl geeignet sein zum
Hüten bestimmter Geheimnisse weniger Einge-
weihter; ein Monument von solch eindrucksvoller
Symbolik wie dieser „Geistkämpfer" sollte und
durfte sich — analog vielen alten Beispielen, die
lebenskräftig im Heiligsten das Leben nicht scheu-
ten — der Allgemeinheit und der Lebendighaltung
eines großen gemeinsamen Gedankens in uns aber
nicht entziehen. (Wie sehr gerade diese letzte
Vorstellung unserm Volke heute fehlt, beweist der
jahrelange Kampf um Platz und Form des ge-
planten Reichsehrenmals, das, wie auch Hinden-
burg einmal instinktiv richtig zum Ausdruck
brachte, eine eindeutige, dabei schlichte und zu-
gleich im Alltag eindrucksvolle Lösung finden
könnte, wollten nicht ausflugsfreudige Bünde ego-
istisch und fast schon unter Umgehung des
„Reichs"-Gedankens fernabgelegene Täler und Wäl-
der als Treffpunkt vorziehen.) Das Kieler Mo-
nument kann auch in seinem Winkel nicht über-
sehen werden, es hat an seiner Stelle innerhalb
des Stadtbilds für immer eine funktionelle Bedeu-
tung. Wie das Güstrower im Dominnern, so ist
es dem Kirchenäußeren architekturverbunden; es
zeigt, wie sehr sein Schöpfer, nach eigenem Ge-
ständnis, in dieser Welt der Gotik lebt und wie
er sie modifizierend in die Gegenwart einbezieht.

Auf breitem, nach oben sich etwas verjüngen-
dem keramischen Plattensockel, dessen Fugung
und vorspringendes Querband die tragende Hori-
zontale betonen, erhebt sich die in Gelbbronze
von Noack in Berlin gegossene Gruppe, die schon
nach kurzer Zeit eine vorteilhafte natürliche Pa-
tina erhalten hat. Die Höhenmaße von Sockel,

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