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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 1
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Fassaden
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Glaser, Curt: Neues aus Amerika
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0062

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FASSADEN

P. Wescher sendet uns den folgenden Stoßseufzer, der
nicht übel das an anderen Stellen dieses Heftes über die
neue Architektur Gesagte ergänzt:

«Berlin erneuert sich. Es erneuert seine Fassaden. Anders-
wo werden immer noch alte oder neue Häuser gebaut. In
Paris z. B. baut man nach wie vor am Boulevard des Italiens
Jugendstil oder Stil Hausmann und im Passy oder Fressinet
baut man modern. Berlin ist glücklicher, es hat die Fassaden-
erneuerung erfunden, die gerundete Ecke am laufenden Mes-
singband. Der Fortschritt marschiert. Mit Mosse begann's,
Herpich und Grünfeld und alle alle folgten. „Die Archi-
tektur bildet das aktuellste künstlerische Problem der Gegen-
wart." Die neuere Berliner Architekturgeschichte weiß schon
viel Lobendes über die Erneuerung zu sagen in jenem freund-
lichen Plauderton, der das Leben so angenehm macht. Und
an den Marschrouten der Berliner Kultur wird über kurz oder
lang die letzte der Wilhelminischen Prachtfassaden mit Stuck
und Kariatydenschmuck verschwunden sein: „restloses Aus-
schalten jeder verlogenen unorganischen Pracht, das Ver-
meiden dekorativer Schauseiten" — kurz, die „fassadenlose
Architektur"! Berlin erneuert sich rasch und geräuschlos.
Selbst die Erneuerung geht hier unaufdringlich hinter Fas-

saden vor sich. Vorbei die Zeit, in der man seine unzeit-
gemäßen Betrachtungen über die Vergänglichkeit an abge-
rissenen Häusern anstellen konnte wie Malte Laurids Brigge.
„Sei schön durch Elida" lächelt die gemalte Wand, hinter
der der Abbruch geschieht. Es bleibt uns kein Augenblick
zu Reflexionen, die nicht heutig sind. Oder es sei denn —
hinter den Fassaden. Denn, oh Wunder, hinter den Fas-
saden liegt eine Welt, in der alles beim alten geblieben
ist, wie im Staate. Da gibt es immer noch das sog. Berliner
Zimmer ohne Licht, ohne Luft, mit Ererbtem gefüllt, den
langen Korridor mit der Hintertreppe für Dienstboten und
alles, was einer früheren Generation unentbehrlich schien.
Hinter den Fassaden ist das Licht noch kein Faktor archi-
tektonischer Gesraltung und die Schlagworte von neuer Sach-
lichkeit und Zweckbau sind noch leere Begriffe. Hinter den
Fassaden von heute leben die Zeitgenossen zwischen den
Wänden von gestern. Leben die Berliner doppelsichrig wie
Janus nach zwei Fronten. In der neueren Berliner Archi-
tekturgeschichte wirkt sich das dahin aus: „Alles gewollt
Sensationelle mildert eine durchgehende Stimmung von heiter
pulsierendem Leben."» (Cafe Nachtlicht.)

NEUES AUS AMERIKA

Was man in Amerika
von altdeutscher Malerei weiß
Tj'sther Singleton hat einen stattlichen Band herausgegeben
■*—' unter dem Titel: „Meister der alten Welt in Sammlungen
der neuen Welt." Es gibt darin ein Kapitel über die deut-
sche Kunst, das hier im Auszug mitgeteilt sei: Es beginnt
mit dem Meister Wilhelm von Köln, der in die erste Hälfte
des vierzehnten Jahrhunderts versetzt wird, was nicht hinderr,
daß als sein Nachfolger und möglicherweise sein Schüler
Stephan Lochner bezeichnet wird. Heinrich Heine wird als
Zeuge aufgerufen, der die Schönheit der Augen seiner Ma-
donna besang und es wird erwähnt, daß das Lied von Robert
Franz komponiert sei. Es folgt Martin Schongauer, der be-
merkenswert ist wegen der gespensterhaften und phanta-
stischen Wesen, die er häufig in seinen Bildern zeigt. Außer-
dem erfährt man, daß il bei Martino in Italien bewundert
wurde und mit Perugino befreundet war, mit dem er Zeich-
nungen austauschte. Die zwei nächst bedeutenden deutschen
Maler sind Zeitblom und Wolgemut, der besonders in Nürn-
berger Kirchen arbeitete. Dem altertümlichen Nürnberg
werden einige poetische Wendungen gewidmet, Stadt des
Hans Sachs und der Meistersinger, „das Haus Dürers wird
den Touristen noch gezeigt". So ist man bei Dürer ange-
langt, einem Riesen der Kunst. In Augsburg, der Stadt der

Fugger, ist Holbein der Ältere, der, wie man erfährr, ebenso
sehr von Schongauer wie von den Italienern beeinflußt war,
der führende Maler. Er erzog seinen begabten Sohn, der
ihn übertraf. Lukas Cranach der Ältere, Führer der sächsischen
Schule, war der Schüler seines Vaters. Das gleiche gilt von
Lukas Cranach dem Jüngeren, der seinem Vater an Talent
weit unterlegen war.

Dieser hahnebüchene Unsinn steht in einem Buche, das
voraussichtlich in Amerika weite Verbreitung finden wird,
da es die kostbarsten Gemälde der berühmtesten Privat-
sammlungen des Landes in Abbildungen vereinigt.

So hat diese Groteske einen sehr ernsten Hintergrund.
Es ist keineswegs gleichgültig für den Ruf des Deutschtums
im Auslande, daß die Kenntnis deutscher Kunst jenseits der
Grenzen so mangelhaft ist. Der an sich löbliche Wetteifer
deutscher Museen um den Besitz der Meisterwerke heimischer
Kunst hat es zuwege gebracht, daß man in ausländischen
Museen Werke deutscher Kunst kaum oder nur sehr spärlich
antrifft. In jedem Museum gibt es Abteilungen italienischer,
niederländischer, französischer Kunst, von der Existenz einer
deutschen Kunst dagegen erfährt der ausländische Museums-
besucher nur selten etwas. Ein schlimmer Fehler und ein
schlechter Dienst an falsch verstandenen „nationalen Be-
langen". G,

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