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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 4
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Gehrig, Oscar: Ernst Barlachs Kriegsgedächnismal im Magdeburger Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0180

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ERNST BARLACHS K R I EGSGEDÄCHTNIS M AL
IM MAGDEBURGER DOM

VON

OSCAR GEHRIG

Tarnst Barlach wird am 2. Januar 1930 sechzig Jahre alt.

' Bekanntlich stammt er aus Wedel an der Unterelbe
(Holstein). Sein großes künstlerisches Erlebnis war bald nach
der Jahrhundertwende Rußland, seine Wahlheimat aber ist,
wenn man bei dieser starken Persönlichkeit solches sagen
darf, Mecklenburg geworden, seit er sich vor jetzt mehr
als zwei Jahrzehnten in Güstrow niederließ.

Zugleich mit einem Glückwunsch zum sechzigsten Ge-
burtstage des Künstlers bringen wir heute seine neueste
große, ja größte Schöpfung wohl, das mehrfigurige Kriegs-
gedächtnismal im Magdeburger Dom, innerhalb dieser goti-
schen Welt, die ihm nach eigenem Zeugnis so nahesteht.
Auftraggeber war diesmal das preußische Ministerium für

ERNST BARLACH, ERSTER ENTWURF FÜR DAS KRIEGS-
GEDÄCHTNISMAL IM MAGDEBURGER DOM (1928)

Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, die Patronatsbehörde
des Domes. Die Schwere des gestellten Themas an sich
und die Verpflichtung zur Innehaltung einer Tradition aus
neuem Geiste stellten nicht geringe Anforderungen selbst
an einen Bildner vom Range Barlachs. Das Ringen mit dem
Werk zeigt den Weg von der leidenschaftlichen Entwurfs-
skizze bis zur abgeklärten Lösung deutlich auf.

Der Künstler hat sich zu einer Holzplastik, freilich von
recht ungewöhnlichen Ausmaßen, entschlossen. Das eichen-
geschnitzte Mal ist ohne Unterbau zweieinhalb Meter, ins-
gesamt aber gut vier Meter hoch. Es ist am Totensonntag,
dem 24. November 1929, übergeben worden und steht jetzt
zwischen der Paradiesespforte und dem linken Chorumgang
des Domes, in einer etwa fünfeinhalb Meter hohen
Nische; über ihm ragt die Querschiffswand in fünf-
zehn Meter Höhe bis zu den Gewölben empor. An
seinem Platze kann das Werk in dem gewaltigen
Dom von weither gesehen werden. Um ein Kreuz,
das die Zahlen der fünf Kriegsjahre in schlicht-
herber Form trägt, sind sechs Gestalten gruppiert,
und zwar unter dem Querbalken drei symbolische
Halbfiguren des Kriegsleids, darüber drei stehende
Krieger, großlinig, verschiedener Altersstufen und
verschiedenen Ausdrucks des Kriegserlebens. Dies
Zweimaldrei der Gruppe ist in strenger Architektonik
nach den Maßen der gotischen Dreischlitzfenster
zusammengefügt. In den vorderen Halbfiguren er-
kennen wir von links nach rechts Not, Tod und
Verzweiflung. Hinter den dreien stehen kompakt und
doch in gewisser geistiger Verbindung die Krieger:
der Landsturmmann zur Linken, der vor der Not
Halt am Kreuze sucht, ganz rechts der junge Soldat,
frierend, doch der Pflicht ergeben. Er lehnt sich
an die ragende mittlere Gestalt des Führermenschen,
der, die Hände auf dem Kreuz, mutig in die Zukunft
blickt. Das Kreuz in der Mitte hält so alle optisch
und taktisch zusammen. Unerschütterlichkeit und
Opferbereitschaft kündet das Denkmal und es macht
zwingende Aussage über die Heldentat des der Idee
der Vaterlandsverteidigung hingegebenen deutschen
Volkes. Mehr nicht, darum ist es groß und läßt alles
äußerlich Großsprecherische, das uns oft genug be-
gegnet, weit hinter sich. Darin ist es auch eine
Steigerung und Variante zugleich der anderen, von
uns hier im Laufe der letzten Jahre gezeigten und
ebenfalls in Verbindung mit Sakralräumen geschaffe-
nen Denkmäler Ernst Barlachs.

AnmerkungderRedaktion: In den kirchlichen Kreisen Magde-
burgs, denen sich — nach einem Bericht der Magdeburgischen Zei-
tung — der Direktor des Museums angeschlossen hat, wird dem Denk-

mal Jetzt Widerstand entgegengesetzt. Wir wollen heute nur die Tatsache
mitteilen, werden aber, wenn der Kampf weitergehen sollte, in einem
der nächsten Hefte Stellung nehmen.

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