Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0305
DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:Friedlaender, Walter: Eine Sekte der "Primitiven" um 1800 in Frankreich und die Wandlung des Klassizismus bei Ingres, [1]
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REMBRANDT, DER PROPHET NATHAN ERMAHNT DAVID. LAVIERTE FEDERZEICHNUNG. 1660-1665
KUPFERSTICHKABINETT, BERLIN
EINE SEKTE DER „PRIMITIVEN" UM 1800 IN FRANKREICH
UND DIE WANDLUNG DES KLASSIZISMUS BEI INGRES
VON
WALTER FRIEDLAENDER
I
T/"urz vor 1800 entstand in Paris eine kleine Ge-
meinschaft oder Sekte, die man wegen ihrer
künstlerischen Einstellung die „Primitiven" oder
wegen ihrer damals ganz ungewöhnlichen Bart-
tracht die „Bärtigen" (les barbus) nannte. Ihre Mit-
glieder waren meistens ganz junge Leute, achtzehn-
oder zwanzigjährig, und kamen großenteils aus
dem Atelier Louis Davids, waren also meist Maler,
doch waren auch andere künstlerische Berufe vor-
handen, Schriftsteller und Literaten, unter ihnen
der noch blutjunge Charles Nodier. Von diesem
genialischen, frühromantischen Dichter haben wir
von Begeisterung überquellende Schilderungen die-
ses Kreises und vor allem seines Führers Maurice
Quai; sie werden ergänzt und gefestigt von den
sehr viel sachlicheren Berichten des Malers und
Kunstschriftstellers Delecluze, der als alter Schüler
Davids alle Gruppen und Spaltungen unter den
zahlreichen Schülern des David-Ateliers genau
kannte; in seinem Buche: Louis David, son ecole
et son temps Souvenirs (Paris 1855), schildert er
sie in zum Teil recht amüsanter Weise. Außer
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KUPFERSTICHKABINETT, BERLIN
EINE SEKTE DER „PRIMITIVEN" UM 1800 IN FRANKREICH
UND DIE WANDLUNG DES KLASSIZISMUS BEI INGRES
VON
WALTER FRIEDLAENDER
I
T/"urz vor 1800 entstand in Paris eine kleine Ge-
meinschaft oder Sekte, die man wegen ihrer
künstlerischen Einstellung die „Primitiven" oder
wegen ihrer damals ganz ungewöhnlichen Bart-
tracht die „Bärtigen" (les barbus) nannte. Ihre Mit-
glieder waren meistens ganz junge Leute, achtzehn-
oder zwanzigjährig, und kamen großenteils aus
dem Atelier Louis Davids, waren also meist Maler,
doch waren auch andere künstlerische Berufe vor-
handen, Schriftsteller und Literaten, unter ihnen
der noch blutjunge Charles Nodier. Von diesem
genialischen, frühromantischen Dichter haben wir
von Begeisterung überquellende Schilderungen die-
ses Kreises und vor allem seines Führers Maurice
Quai; sie werden ergänzt und gefestigt von den
sehr viel sachlicheren Berichten des Malers und
Kunstschriftstellers Delecluze, der als alter Schüler
Davids alle Gruppen und Spaltungen unter den
zahlreichen Schülern des David-Ateliers genau
kannte; in seinem Buche: Louis David, son ecole
et son temps Souvenirs (Paris 1855), schildert er
sie in zum Teil recht amüsanter Weise. Außer
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