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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 7
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0320

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MARC CHAGALL, DIE IN EINE FRAU VERWANDELTE KATZE MARC CHAGALL, DER CHARLATAN

zwei (von hundert) Aquarelle zu den fabeln des Lafontaine, ausgestellt in der galerie a. flechtheim, Berlin

CHRONIK

KUNSTSCHULEN
In Kassel wird um einen neuen Akademiedirektor gekämpft;

dort ist die Frage, ob es ein Künstler oder ein Kunst-
historiker sein soll.

In Weimar debattiert man, welche der beiden Kunst-
schulen wichtiger sei, welche von beiden den drohenden
Sparmaßnahmen des Reiches mit geringerem Schaden ge-
opfert werden dürfe; man untersucht, ob beide Schulen
zusammengelegt werden könnten oder streitet — wenn die
Bauhochschule allein bestehen bleiben sollte —, ob ein Wei-
marer Buchbindermeister, der Architekt Schulze-Naumburg
oder der Van de Velde-Schüler Thilo Schoder der beste
Leiter sei, nachdem Otto Bartning, der die Schule von Ber-
lin aus glaubte leiten zu können, nun ausscheidet. Der Buch-
binder Dorfer ist der Kandidat der Handwerkskammer, der
Architekt des ehemaligen Kronprinzen Schulze-Naumburg,
der der Zeit vor dreißig Jahren etwas bedeutet hat, wird,
wie man hört, von Hitler protegiert, der Architekt Thilo
Schoder kann als Vertreter heutiger Kunstgesinnung ange-
sprochen werden*. Man sieht wieder: es ist fast ein poli-
tischer Kampf.

* Ein Buch mit Abbildungen seiner ausgeführten Bauten und Bau-
entwürfe ist vor kurzem im Verlag Friedrich Ernst Hübsch, Berlin, mit
einer Einleitung von H. de Fries erschienen.

Merkwürdig, daß jedermann sich vor dem radikalen Ge-
danken scheut, alle Kunsthochschulen dieser Art, die in Wahr-
heit nicht leben und nicht sterben können, einfach zu
schließen, sobald eine Krise wie diese Anlaß dazu bietet.
Nicht aus Gründen der Sparsamkeit, sondern aus Gründen
der Vernunft. Daß die Lehrer für die Erhaltung sind, liegt
auf der Hand; aber es könnte ja nach Recht und Billigkeit
mit ihnen verfahren werden. Es gab eine Zeit, in der Aka-
demien notwendig waren. Heute sind sie überflüssig. Vor
allem in den alren Residenzen; über die hauptstädtischen
Kunstschulen wäre besonders zu sprechen. Und die Zeit der
Kunstgewerbeschulen ist auch vorüber. Erweisen sich Kunst-
schulen in anderer Form als notwendig, so mögen die, die
ein Interesse daran haben, sie gründen und unrerhalten. Der
Staat hat dieses Interesse nicht mehr. Was heute in den
kleinen Kunstschulen vorgeht, streift oft die Komödie.

DIE PROZESSE GEGEN GEORGE GROSZ
T^ine unfreiwillige Komödie sind auch die Gotteslästerungs-
' prozesse gegen George Grosz und seinen Verleger, wegen
einer Zeichnung, die den Gekreuzigten mit Gasmaske und
Soldatenstiefeln darstellt. Früher machten eifrige Staats-
anwälte mehr in „Unsittlicher Kunst". Unversehens wurde,
zum Beispiel, der längst verstorbene Feuerbach beschuldigt,

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