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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 8
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Friedländer, Max J.: Die Holzschneider Bangemann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0342

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MAX LIEBERMANN, ILLUSTRATION AUS GOETHES „NOVELLE". IN HOLZ GESCHNITTEN VON OSKAR BANGEMANN

geben, vielmehr das Verfahren verfeinernd, den
Kampf gegen die Maschine mutig bestanden.

Ehemals dachte der illustrierende Zeichner,
etwa Menzel oder Daumier, an die Fähigkeiten
eines normalen und durchschnittlichen Xylographen,
erzog ihn zu gewissenhafter Dienstbarkeit, kam
ihm aber auch entgegen, indem er „schnittge-
recht" oder „schnittbequem" zeichnete. Die Photo-
chemie befreite ihn von solchen Rücksichten und
Sorgen und wurde deshalb, z. B. von Oberländer,
freudig begrüßt. Man konnte nun spontan, in ab-
soluter Unabhän gigkeit zeichnen und sich dem Wahn
hingeben, im Drucke werde alles genau so sicht-
bar werden. Damit fiel der Stilzwang fort, der
von dem Schnittverfahren ausgegangen war.

Als nun Maler, wie Liebermann und Slevogt,
vor etwa zwanzig Jahren für die Buchillustration
gewonnen wurden, namentlich durch den Eifer
Bruno Cassirers, war folgende Situation gegeben:
der Steindruck, den die Maler selbst auszuführen
vermochten, erschien als Flachdruck neben dem
Typensatz stilwidrig, auch stellten sich seiner Ein-
fügung in das Buch technische Schwierigkeiten
entgegen, die Zinkätzung, die photomechanische
Reproduktion, galt für unvornehm. Der Ruf nach
dem Holzschnitt, als dem klassischen Mittel der
Buchillustration, wurde laut. Da Liebermann und
Slevogt nicht eigentlich Holzschnitte zeichneten,
mußte ein Xylograph kommen, der Zeichnungen

zu schneiden vermochte, die nicht als Holzschnitte
konzipiert waren. Und dieses Wunder vollbrachte
Bangemann. An unbedingter Richtigkeit tat er es
der Kamera gleich. Dies verstand sich für ihn
— als etwas Moralisches — von selbst.

Der Holzschnitt hat sich im neunzehnten Jahr-
hundert auf zweierlei Art entwickelt, die vorge-
zeichnete Linie im Relief heraushebend — dies
nannte man den faksimilierenden Schnitt — und
die hellere oder dunkle Fläche in ein System von
Linien und Punkten umsetzend — dies nannte
man den Tonschnitt, dem der große Bewick um
1800 Bahn gebrochen hatte. Bangemann knüpft an
diese und an jene Tradition an, indem er in ein
und demselben Schnitt den Strichkomplex, soweit
er in gleichmäßiger Schwärze erscheint, einfach
herausschneidet, soweit aber lichtere Flecke, Ton-
varianten im Original vorkommen, sie durch Punkt-
reihen oder Doppelzüge interpretiert, durch wohl-
bedachte Formen, die trotz der einheitlichen Druck-
farbe im Gesamten den Eindruck des Tonreich-
tums hervorrufen und die Illusion der flüchtigen
Skizze in das gedruckte Bild herübernehmen samt
allen Zufälligkeiten. Hiermit leistet Bangemann
etwas zur Befriedigung der Zeichner, was die
photochemische Ätzung nicht zu bieten vermag.
Allerdings ersetzt die photomechanische Technik
sowohl den faksimilierenden Linienschnitt wie den
sogenannten Tonschnitt, aber sie kann nur dieses

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