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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 8
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Friedländer, Max J.: Die Holzschneider Bangemann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0343

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oder jenes tun, nicht beides in einem Druckstocke.
Die „Strichätzung" bringt den Linienkomplex
in sauberen und reinen Grenzen heraus, um aber
Tonstufungen zu erfassen, bedarf es der „Netz-
ätzung", die mit Einfügung eines Rasters arbeitet.
Und dieser Raster zersetzt und zerfasert den Strich
der Zeichnung. Freilich sind das subtile, nur unter
der Lupe kontrollierbare Mängel und Entstellungen,
die aber in den Augen der empfindlichen, eifersüch-
tig über jede Nuance ihrer Schöpfungen wachenden
Maler ins Gewicht fallen. So erklärt sich die dank-
bare Anerkennung, die ßangemanns Dienst gefun-
den hat, und die Bewunderung für eine Repro-
duktion, die mit der Exaktheit und Treue des photo-
graphischen Apparates die verständnisvolle Fein-
fühligkeit des Menschenauges verbindet.

Der Holzschnitt lebt, aber ohne jeden Zusam-
menhang mit Bangemanns Bemühung — als Aus-
drucksmittel der Maler. Originalschnitte, wie sie
E. L. Kirchner oder Heckel hervorbringen, sind

stilgerecht, ja extrem stilgerecht. Die Maler be-
arbeiten die Platte auf Holzhackerart und gewin-
nen imponierende Strenge, asketische Einfachheit
und starre Größe aus ihrer Ungeschicklichkeit.
Geschmack und Tendenz werden sich wandeln.
Man wird dieser gewaltsam zurückgewonnenen
Primitivität, dieser leeren Monumentalität über-
drüssig werden. Ich zweifle nicht, daß ein grö-
ßeres Quantum Naturwahrheit in den Original-
holzschnitt einkehren, und eine mehr elastische,
subtilere Bearbeitung des Druckstocks den Malern
Bedürfnis werden wird. Man wird sich dann
des Meister-Xylographen erinnern und von ihm
lernen, nicht: was er kann, wohl aber: was man
braucht. Ein Lehrer von Bangemanns Art ist ge-
eignet, das ethische Erbe des Handwerks in der
akademischen Hochschule zu wahren und damit
etwas zu bieten, was dem anarchischen Kunstbe-
trieb unserer Tage bitter nottut.

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