Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0384
DOI issue:
Heft 9
DOI article:Basler, Adolphe: Modigliani
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A. MODIGLIANI, BILDNIS LEON BAKST
SAMMLUNG CHESTER DALE, NEW YORK.. MIT ERLAUBNIS DER D.D. A.
und ein Musiker, der niemals komponiert hatte,
kümmerte sich im Grunde herzlich wenig um die
Liebschaft Gabys mit Modigliani. Aber in seiner
Eigenliebe verletzt, wollte er seinen Rivalen züch-
tigen, was jedoch der witzige Modigliani dadurch
verhinderte, daß er den gehörnten Biedermann be-
wog, ihn zu einem Glas einzuladen. Und sie tran-
ken derartig, daß die Kellner die beiden Gegner
um zwei Uhr morgens in einem Zustand aus dem
Cafe werfen mußten, daß sie nicht mehr imstande
waren, ihren Streit auszutragen.
Dann kam der Krieg. Und dieses Ereignis brachte
alles aus dem Gleise. Modigliani kam in die Ge-
walt der englischen Dichterin. Er war von einer
wachsenden Anzahl von Bewunderern aller Natio-
nalitäten umringt. Jedermann wollte ein Bildnis von
seiner Hand besitzen. Sein Ruhm entstand! Eines
Tages faßte er den Entschluß zu malen. Er ging
zu Frank Burty-Haviland, einem Maler und Sammler,
der neben Picasso in der Rue Schoelcher wohnte.
Frank lieh ihm Farben, Pinsel und Leinwand. Modi-
gliani suchte das, was er als Bildhauer erworben
hatte, in die Malerei zu übertragen. Die durch den
Krieg erschwerten Lebensverhältnisse zwangen ihn
übrigens, eine Kunst auszuüben, die weniger kom-
pliziert war als die Bildhauerei, geringere Ausgaben
erforderte und sich auch leichter realisieren ließ.
Bei Haviland hatte er Gelegenheit, die schönste
Sammlung von Negerplastiken zu sehen. Er war
von ihrem Reiz fasziniert und wurde nicht müde,
sie zu bewundern. Er sah nur mehr ihre Formen
und ihre Proportionen. Besessen von den ganz
architekturalen, den Gabon- und Kongofetischen
eigenen Vereinfachungen und jenenÜbertreibungen,
die die Figuren und Masken der Elfenbeinküste
in ihren eleganten Stilisierungen vertragen, gelangte
Modigliani langsam zu einem Formentyp von ver-
längerten Linien, von geschmackvoll übertriebenen
Proportionen mit Details, die das Gepräge seiner
Bewunderung für die Negerplastiken trugen. Das
Oval des Kopfes, die einförmige, geometrisierte,
von den afrikanischen Fetischen übernommene Nase
verliehen seinen Bildnissen sofort ein sehr anzie-
hendes Aussehen. Als vollkommener Zeichner, ja
größerer Zeichner als Maler, betonte Modigliani
die zarten Konturen, erheiterte die Monotonie seiner
allzu symmetrischen Formen durch äußerst raffi-
nierte Deformationen und gestaltete sie durch sehr
gewinnende farbige Unterlagen außerordentlich
sympathisch. Eine Mischung von Anmut und Selt-
samkeit, eine durch scharfe Ausdruckgebung ge-
milderte Süßlichkeit, ein weicher Reiz entsteigt
all diesen männlichen und weiblichen Modellen,
für die er — mit Ausnahme von einigen Bildnissen
und drei oder vier Akten — ein unveränderliches
Schema ersonnen hatte. Im großen ganzen ist das
gesamte Schaffen Modiglianis ziemlich einförmig.
Seine Kunst scheint auf einen Manierismus begrenzt,
der auf den nur leichte Genüsse suchenden Lieb-
haber höchst verführerisch wirkt. Modigliani hatte
sich ja auch nur mit Widerstreben zur Malerei
entschlossen — von 1915 bis ipzo, seinem Todes-
jahr —, weil ihn die Härte der Verhältnisse zwang,
den Meißel, den er mit Hingabe handhabte, mit
dem Pinsel zu vertauschen.
Dieser Künstler ist nie untätig geblieben und
hat immer ein Publikum gefunden, das ihm Bei-
fall spendete. Eifrig auf diese Bewunderung be-
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SAMMLUNG CHESTER DALE, NEW YORK.. MIT ERLAUBNIS DER D.D. A.
und ein Musiker, der niemals komponiert hatte,
kümmerte sich im Grunde herzlich wenig um die
Liebschaft Gabys mit Modigliani. Aber in seiner
Eigenliebe verletzt, wollte er seinen Rivalen züch-
tigen, was jedoch der witzige Modigliani dadurch
verhinderte, daß er den gehörnten Biedermann be-
wog, ihn zu einem Glas einzuladen. Und sie tran-
ken derartig, daß die Kellner die beiden Gegner
um zwei Uhr morgens in einem Zustand aus dem
Cafe werfen mußten, daß sie nicht mehr imstande
waren, ihren Streit auszutragen.
Dann kam der Krieg. Und dieses Ereignis brachte
alles aus dem Gleise. Modigliani kam in die Ge-
walt der englischen Dichterin. Er war von einer
wachsenden Anzahl von Bewunderern aller Natio-
nalitäten umringt. Jedermann wollte ein Bildnis von
seiner Hand besitzen. Sein Ruhm entstand! Eines
Tages faßte er den Entschluß zu malen. Er ging
zu Frank Burty-Haviland, einem Maler und Sammler,
der neben Picasso in der Rue Schoelcher wohnte.
Frank lieh ihm Farben, Pinsel und Leinwand. Modi-
gliani suchte das, was er als Bildhauer erworben
hatte, in die Malerei zu übertragen. Die durch den
Krieg erschwerten Lebensverhältnisse zwangen ihn
übrigens, eine Kunst auszuüben, die weniger kom-
pliziert war als die Bildhauerei, geringere Ausgaben
erforderte und sich auch leichter realisieren ließ.
Bei Haviland hatte er Gelegenheit, die schönste
Sammlung von Negerplastiken zu sehen. Er war
von ihrem Reiz fasziniert und wurde nicht müde,
sie zu bewundern. Er sah nur mehr ihre Formen
und ihre Proportionen. Besessen von den ganz
architekturalen, den Gabon- und Kongofetischen
eigenen Vereinfachungen und jenenÜbertreibungen,
die die Figuren und Masken der Elfenbeinküste
in ihren eleganten Stilisierungen vertragen, gelangte
Modigliani langsam zu einem Formentyp von ver-
längerten Linien, von geschmackvoll übertriebenen
Proportionen mit Details, die das Gepräge seiner
Bewunderung für die Negerplastiken trugen. Das
Oval des Kopfes, die einförmige, geometrisierte,
von den afrikanischen Fetischen übernommene Nase
verliehen seinen Bildnissen sofort ein sehr anzie-
hendes Aussehen. Als vollkommener Zeichner, ja
größerer Zeichner als Maler, betonte Modigliani
die zarten Konturen, erheiterte die Monotonie seiner
allzu symmetrischen Formen durch äußerst raffi-
nierte Deformationen und gestaltete sie durch sehr
gewinnende farbige Unterlagen außerordentlich
sympathisch. Eine Mischung von Anmut und Selt-
samkeit, eine durch scharfe Ausdruckgebung ge-
milderte Süßlichkeit, ein weicher Reiz entsteigt
all diesen männlichen und weiblichen Modellen,
für die er — mit Ausnahme von einigen Bildnissen
und drei oder vier Akten — ein unveränderliches
Schema ersonnen hatte. Im großen ganzen ist das
gesamte Schaffen Modiglianis ziemlich einförmig.
Seine Kunst scheint auf einen Manierismus begrenzt,
der auf den nur leichte Genüsse suchenden Lieb-
haber höchst verführerisch wirkt. Modigliani hatte
sich ja auch nur mit Widerstreben zur Malerei
entschlossen — von 1915 bis ipzo, seinem Todes-
jahr —, weil ihn die Härte der Verhältnisse zwang,
den Meißel, den er mit Hingabe handhabte, mit
dem Pinsel zu vertauschen.
Dieser Künstler ist nie untätig geblieben und
hat immer ein Publikum gefunden, das ihm Bei-
fall spendete. Eifrig auf diese Bewunderung be-
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