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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

DOI Heft:
Heft II (Februar 1907)
DOI Artikel:
Trunk, Hans: Vortrag des Malers Trunk in Strassburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0030

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18

Schüler muss auf der Mittelstufe beim Zeichnen
der vielerlei Naturformen gelernt haben, Haupt-
sache und Nebensächliches zu unterscheiden und
auseinanderzuhalten.
Mancher Lehrer wird sich beim Durchlesen
des Lehrplans besorgt fragen, woher sollen die
vielerlei Gegenstände geholt werden, die der mo-
derne Unterricht nötig macht, und wer soll die
Beschaffungskosten aufbringen? Wo und wie soll
die ganze Sammlung verwahrt werden ? Die Sache
ist nicht so schlimm, wie es den Anschein hat.
Jeder Haushalt, auch der einfachste, bietet Geräte
genug, die sich eignen und unter denen sich oft
die köstlichsten Beispiele finden, namentlich solche,
bei denen das Stoffliche recht eigenartig zum Aus-
druck kommt und denen man das Gebrauchtsein
deutlich anmerkt: Handwerksgeschirr, Kannen,
Flaschen, Töpfe, Krüge etc., die alle, wenn sie als
Modelle ausgebraucht sind, ihrem eigentlichen
Zweck zurückgegeben werden, so dass der Lehrer
mit dem Aufbewahren wenig Schererei haben wird.
Er wird sich zu seiner Unterstützung ein paar ver-
ständige, rührige Schüler heranziehen, die ihm beim Herbeischaffen und Zurück-
bringen der Objekte an die Hand gehen. Am meisten Schwierigkeit macht die
Auswahl selbst und hiebei kommen auch die meisten Verstösse vor, wenn z. B.
die ausgewählten Objekte den nötigen Anforderungen in methodischer, ästhetischer
und schultechnischer Richtung nicht entsprechen. Jeder derartige Missgriff hat
gewöhnlich eine kleine Entgleisung zur Folge, die der Lehrer dann durch allzu
eifrige Mitarbeit zu heben sucht. Die Anforderungen an die Arbeitskraft und die
Fähigkeiten sind bei dem modernen Zeichenunterricht für den Lehrer bedeutend
gesteigert; er muss jetzt einen sichern Blick, Geschmack, künstlerisches Fühlen und
Denken in höherem Grad wie früher entwickeln. Sollte es ihm aber an diesen
Eigenschaften gebrechen, dann wird er sich allzu krampfhaft an den Lehrplan
klammern, für seinen Unterricht sicher einmal Gegenstände bestimmen, die kein
brauchbares Lehrmittel vorstellen. Lehrer und Schüler quälen sich umsonst und
trennen sich schliesslich im Unmut und die moderne Richtung verwünschend.
Eine genaue, eingehende Beschreibung des Lehrstoffes und seiner Verwendung
würde wenig Nutzen stiften ohne die Möglichkeit einer Demonstration ad oculos,
aber die Hoffnung darf nicht aufgegeben werden, dass der Kaiserliche Oberschulrat
die Einrichtung von Ferienzeichenkursen für die Lehrer ermöglicht, die natürlich
vorteilhafter wären als es je ein Vortrag sein kann.
So sehr zurzeit auch noch der Streit in den beteiligten Kreisen tobt über den
Wert der Reform, so viel ist sicher, dass der Fortschritt des modernen Zeichen-
unterrichts ein stetiger und unaufhaltsamei' ist und wenn der Werdegang sich
langsam vollzieht, so ist dies in der Natur der Sache begründet und spricht nur
für die Richtigkeit der Bahn, auf der sich der Unterricht bewegt. Manchem Lehrer,
besonders den älteren, mag es schwer fallen, einer Richtung zu entsagen, in der
 
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