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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft I (Januar 1907)
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Bender, Ernst: Einiges über das "Blockieren"
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Freie Zeichensäle
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0014

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diese Anleitung führt vielfach zu künstlich interessant gemachten Darstellungen, die
mit wirklich künstlerischer Auffassung nichts gemein haben. Wer überall Charakteristi-
sches sehen will, wer jede noch so unwesentliche Abweichung der Umrisslinie als
besonders wichtig durch eine gerade Linie markieren will, der gleicht dem Manne
obiger Geschichte, der den Glanz seines Diamanten durch Anhäufung vieler Kost-
barkeiten verdunkelte.



Die Zeichnung Fig. 3 a ist uncharakteristisch, weil sie zu viel Charakteristisches
bieten will. Lebensvolle, sprechende Zeichnungen werden nur erreicht durch geistige
Erfassung des Wesentlichen der Form. Vier Linien geben Fig. 3 vor allem ihr
Gepräge, diese müssen in den Blocklinien markiert werden, ihre Verbindung geschehe
in einfachen Bogenstrichen, so wie es der Schüler am Vorbilde sieht.
Die Kleidung des Alpenbewohners mit kurzen Hosen, freiem Knie und derben
genagelten Schnürschuhen ergab sich aus dem Bedürfnis. Der Fremde, der sich
im schmucken Tirolerkostüm zeigt, ist deshalb allein noch kein geübter Bergsteiger.
Ebenso verhält es sich mit dem geradlinigen Zuschnitt einer Zeichnung — künstlerisch
wird er nur sein, wenn er nicht konstruiert, nicht gesucht, sondern verständnisvoll
dem Wesentlichen der Form angepasst ist.
E. Bender, Karlsruhe.

Freie Zeichensäle.
Der letzten Dürerbundkorrespondenz entnehmen wir folgende Ausführungen:
„Für clie meisten Berufe ist das Zeichnen ein unentbehrliches Ausdrucks- und Ver-
ständigungsmittel. Viele, besonders ältere oder aus kleinen Verhältnissen hervorgegangene
Gewerbetreibende und Handwerker empfinden es sehr, dass ihnen die Fähigkeit fehlt, etwas
zeichnerisch darzustellen. Andere wieder haben, wie dies leider jetzt noch in vielen Fort-
bildungsschulen üblich ist, wohl saubere Zeichnungen nach gegebenen Vorbildern herstellen,
aber nicht selbständig zeichnen gelernt. Wie oft hat es wohl auch in den Schul- und Lehr-
jahren an der nötigen geistigen Reife und damit an dem ernsten Wollen und Streben gefehlt.
Mancher hat es schon bitter bereut, dass er die gebotene Gelegenheit nicht besser ausgenützt
hat und würde das Versäumte gern nachholen. Doch nur in ganz grossen Städten gibt es
Fach- und Gewerbeschulen, Gesellen- und Meisterkurse, die auch ältere Leute als Schüler
aufnehmen können. Die Schulen haben meist überfüllte Klassen und die Lehrer sind durch
die ihnen vorgeschriebenen Unterrichtsstoffe derartig in Anspruch genommen, dass sie nur
 
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