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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft III (März 1907)
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Bender, Ernst: Bericht über die "Reformzeichenunterricht-Ausstellung" im Lichthofe des Kunstgewerbemuseums in Berlin
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Bericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0047

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33

Was sagt denn z. B. Dürer über die Kraft der Phantasie: „Niemand kann von
sich selbst heraus etwas geben, äusser er hat an der Natur sein Gemüt voll gefasst.“
Böcklin sagte einst: „Ich fand meine Kunst an dem Tage, an dem ich entdeckte,
dass sich in der Natur die Seele des Menschen spiegelt mit all ihren mannigfachen
Stimmungen, ich fand in ihr mich selber, den nut sich ringenden, an sich ver-
zweifelnden, himmelhoch jauchzenden und zum Tod betrübten Menschen.“ Folgen
wir diesen Künstlern! Wir wollen unsere Schüler lehren, die Natur zu beobachten.
Dazu dient auch das Gedächtniszeichnen. Wenn wir die Schüler auffordern, ein
Haus oder eine Landschaft genau zu be¬
trachten , damit sie es nachher aus dem
Gedächtnis zeichnen können, so ist das
eine Erziehung zum Sehen. Auch Menschen
können in der Weise dargestellt werden.
Ludwig Volkmann hat ein sehr beachtens¬
wertes Werkchen „Die Erziehung zum
Sehen“ geschrieben; zwei Beispiele seien
hier daraus angeführt: „Dort kommt ein
schwerer Lastwagen, einspännig, schwer¬
gepackt; kaum vermag der kräftige Gaul
ihn zu ziehen. Man sehe sich das Tier
an: alle Muskeln gespannt, den Hals zurück¬
genommen, fest am Zügel gehend schreitet
es langsam einher, so prachtvoll ruhig und
zusammengehalten im Umriss, wie es leer
nie gehen würde.“ Oder: „Da reitet abends
der Fuhrmann den müden Gaul in den
Stall. Lässig sitzt er auf dem ungesattelten
Tier; sie sind beide keine Schönheiten.
In der Dämmerung aber erblicken wir Ross
und Reiter nur als Silhouette gegen den
hellen Abendhimmel, und siehe da, es ist
ein fast monumentales Bild.“ Diese Bei¬
spiele zeigen, dass es sich beim richtigen
Beobachten nur um einen Gegenstand
handeln kann, es dürfte also die Dar¬
stellung eines Eisweihers mit einer sich darauf tummelnden Jungenschar auch ins
Gebiet der Spielerei gehören. Die Ausstellung zeigte bei dem Gedächtniszeichnen
im Gegensatz zum Phantasiezeichnen eine prächtige Entwicklung von der untersten
bis zur obersten Klasse.
Der systematische Zeichenunterricht und das Gedächtniszeichnen sollen beide
dazu dienen, unsern Schülern das Schöne sehen und lieben zu lehren.

Abbildung 4.

KUNST:
TÖPFEREI


» Bericht.
Am 25. Februar ds. Js., dem Geburtsfest Sr. Map König Wilhelms II. von Württemberg,
hatte ich die Festrede übernommen. Ich benützte diese Gelegenheit gerne, um einem grösseren
Hörerkreise die Gründe, Wege und Ziele des neuzeitlichen Zeichenunterrichts in gedrängter
Kürze vorzuführen. Obwohl das Publikum allenthalben von der Reform auf dem Gebiet des
 
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