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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft XI (November 1907)
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Thiersch, Friedrich von: Künstlerische Erziehung der Techniker
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Landenberger, G.: Entgegnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0139

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119

Ein innigeres Zusammengehen der drei Schwesterkünste ist eine der wichtigsten
allgemeinen Forderungen künstlerischer Erziehung; und es bedarf kaum des Hin-
weises darauf, dass die Kunstblüte der Vergangenheit auf der allgemein mensch-
lichen und auf der fachlich vielseitigen Bildung der Künstler beruht.
Die Einrichtung einer Steinbildhauerschule durch Professor A. v. Hildebrand
an unserer Akademie der Künste stellt sich als ein Ereignis dar, welches in auf-
sehenerregender Weise auf die Wichtigkeit praktischer Kunstübung hinweist.
Das aber darf zum Schluss noch betont werden:
Nicht isoliert oder etwa gar in gegensätzlicher Stellung sollen Wissenschaft
und Kunst an der Hochschule gelehrt werden, sondern in gegenseitiger Anlehnung
und Durchdringung. Dies sei unser aller Wunsch und Streben!
Wenn unser Haus mit seiner stolzen Inschrift „scientii artibus“ einmal seinen
längst erwarteten und fast vergessenen Figurenschmuck erhält, so müsste es der
Genius der Wissenschaft sein, welcher der Kunst freundschaftlich die Hand reicht.

Entgegnung.
In Heft VI unserer Monatschrift „Kunst und Jugend“ bespricht ihr
Redakteur, mein werter Kollege Kolb in Göppingen, meine „Neue Methode im
Freihandzeichenunterricht“ teils lobend, teils tadelnd. Er stellt mit Recht voran,
was ich als das Neue meiner Methode erkläre und zwar mit meinen eigenen
Worten: „erstens, dass jede Arbeit vorher skizziert wird, zweitens, dass diese
Skizzen direkt mit der Feder gezeichnet werden und drittens, dass das Winkel-
und Grössenschätzen zur Grundlage im Unterricht gemacht ist.“ Dass dies in der
Tat neu ist, will aber Herrn Kollo nicht einleuchten, denn er schreibt dazu: „Ich
kann anderseits aber nicht sehen, was er eigentlich Neues gefunden hat. Ob man
jede Arbeit vorher skizzieren lässt oder nicht, ob man mit der Feder oder mit
Kohle, mit Bleistift oder mit einem anderen Material zeichnen lässt, das sind im
Grunde keine Erörterungen, die den Vorzug der Neuheit haben — man sehe darauf-
hin nur einmal die Literatur des letzten Jahrzehnts an.“ Darauf entgegne ich, dass
vor nicht langer Zeit Herr Kolb selbst meine Methode als eine neue ansah, denn
in Heft II schreibt er in dem Abschnitt „Zu unsern Abbildungen“: „Im Zeichen-
unterricht werden neuerdings Skizzierübungen direkt mit der Feder — also ohne
vorherige Bleistiftvorzeichnung — häufig betrieben. Es liegt auf der Hand, dass
der Schüler auf diese Weise zu scharfer, rascher Beobachtung und sicherer Dar-
stellung angeleitet wird.“ Da Kollege Kolb hier von seinem Zeichenunterricht in
Göppingen spricht, so hat er also neuerdings meine Methode als einen Fortschritt
gegen seine bisherige Unterrichtsweise in seiner Schule eingeführt, allerdings ohne
bei dieser Mitteilung auch nur mit einer Silbe zu erwähnen, dass diese Methode
die meinige ist, obwohl ihm dies von der Stuttgarter Ausstellung 1905 her bekannt
war. Ich lasse nach dieser Methode seit 1903 zeichnen und Kollege Kolb ist den
Beweis schuldig geblieben, dass schon jemand vor mir so unterrichtete. Darum
lasse ich die Tatsachen dafür sprechen, dass ich mit vollem Recht meine Methode
eine neue nenne. Ich sah aber voraus, dass, obwohl ich der erste bin, der auf
diese Art und Weise unterrichtet, dennoch mancher sie nicht für neu halten werde,
ähnlich wie verschiedene Zeitgenossen des Kolumbus in der Entdeckung Amerikas
nichts Besonderes finden konnten. Darum habe ich dieses Neue mit Recht dem
Ei des Kolumbus verglichen. Dass Kollege Kolb zwar meine Reformzeichen-
ausstellung 1905 mit zu den besten zählt, dennoch aber die Reihenfolge oder An-
ordnung in meinem Unterricht sonderbar findet, ist schwer zu vereinbaren. Aber
ich will es entschuldigen. Denn ich weiss aus eigener Erfahrung, dass der Zeichen-
lehrerberuf sehr in Anspruch nimmt. Kollege Kolb konnte daher nicht soviel Zeit
und Ruhe finden, um meine Schrift gründlicher zu beurteilen.
Ebingen, 10. September 1907.

G. Landenberger.
 
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